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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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einsam gefühlt. Daher kam es, dass sie mit großer Begeisterung beschlossen hatte, Josh und Beauty zu begleiten. Sie mochte sie, sie hatte das Gefühl, mit ihnen über alles reden zu können, was von Belang war – fühlte jetzt auch, dass sie damit begonnen hatte und einfach zum Reden gezwungen war, aus welchem inneren Antrieb auch immer.
    Aber während sie erzählte, überfiel sie eine gewisse Melancholie. Es war vor allem ein Gefühl des Verlusts – Verlusts all der Dinge, die sie in ihrem Leben gekannt hatte und die nie wiederkehren würden; Dinge, die niemand mehr kennen lernen konnte, die sie niemals ganz zu erklären vermochte, sosehr sie das auch wünschte, sosehr die anderen es auch hören wollten.
    »So vieles kannst du nicht verstehen«, sagte sie zu Josh. »Wie anders das alles war … vorher. Du hast nur dunkle Vorstellungen aus Bruchstücken alter Bücher, die es noch gibt, aus Legenden, entstanden aus Halbwahrheiten, die sich über die apokalyptischen Veränderungen des 22. Jahrhunderts hinweg erhalten haben, aus den Hirngespinsten und Lügen anderer Geschichtenerzähler, die es von anderen gehört haben, die gar nicht dabei waren, die nicht einmal jemanden kannten, der dabei war. Bruchstücke, das ist alles, was du hast. Von uns, die wirklich wissen, wie es gewesen ist, gibt es nur noch wenige.«
    Josh hörte die Reue aus ihrer Stimme heraus. Was für ein seltsames Wesen, dachte er. Sehr klug und traurig und geheimnisvoll. Und wie viel sie zu wissen schien. Er konnte von ihr lernen, davon war er überzeugt. Er fühlte sich bei ihr fast so wie bei der Begegnung mit einem alten Buch – erwartungsvoll, gierig nach dem Wissen, das er erlangen konnte, wundersam ängstlich, weil er seine Unschuld verlieren mochte. Und hier war sie neben ihm, ein lebendiges Buch. Er fragte sich, ob alle Bücher diese Traurigkeit mit Jasmine teilten.
    Er stellte vorsichtig seine Frage, um diese Quelle zu nutzen und sie in ihrer Einsamkeit zu trösten.
    »Erzähl mir … von diesen Atomkraftwerken.«
    Sie mochte diese Leute wirklich, ja. Sie konnte erkennen, dass sogar Beauty aufmerksam zuhörte, obwohl er natürlich stumm blieb, um ein gutes Beispiel zu geben.
    »Atomkraftwerke waren dazu da, Energie zu erzeugen«, fuhr sie fort. »Dazu benützten sie ein starkes Gift. Und es war eine gute Methode, Energie zu erzeugen, aber das Gift erwies sich als zu stark für uns. Es explodierte überall, es quoll aus den Abfallfässern, es machte alle wahnhaft und machtsüchtig.« Sie schwieg kurz. »Ich dachte vorhin, ich wollte darüber reden, aber jetzt spreche ich doch lieber von anderen Dingen.«
    Sie erzählte von ihrer Heimatstadt 1986: von dem Jungen, den sie mit elf Jahren geliebt hatte, davon, wie die Luft kurz vor einem Wirbelsturm roch, wie der Jasmin in ihrem Schlafzimmer duftete, wenn er an Sommerabenden blühte. Deshalb hatte sie den Namen angenommen und die ganzen Jahre hindurch behalten. Sie verstummte endlich, als sie einen blubbernden Sumpf erreichten, der ihnen den Weg versperrte. Beauty wich nach rechts aus. Jasmine zögerte. Sie spürte, dass es einen besseren Weg gab.
    Bevor sie aber etwas sagen konnte, sprangen drei Wesen, nach Tod riechend, aus dem Dickicht. Unglücksfälle. Einer hatte grauenhafte Zahnreihen, der andere als Mund eine Art Insektenröhre, der dritte überhaupt kein Gesicht, nur einen dicken, fleischigen Kopf, blind und ohne Hals. Stinkende, wutentbrannte Wesen.
    Jasmine zog sofort den Degen und hieb, bevor Beauty sich auch nur umdrehen konnte, dem ersten zottigen Unglücksfall den Kopf vom Hals.
    Isis sprang den zweiten Gegner hoch an und versenkte die Krallen tief in den Augen des Wesens. Es kreischte auf und stolperte rückwärts, riss die riesigen Hände vors Gesicht. Die kleine Katze klammerte sich an die Schulter des Unglücksfalls und zerfleischte den Hals mit Zähnen und Klauen, bis sie die Halsschlagader erreichte. Dann sprang sie herunter.
    Josh nahm von dem Gesichtslosen am Rücken einen gewaltigen Schlag hin und stürzte vornüber ins Unterholz. Das Wesen sprang heran, um ihn zu töten, aber Josh fuhr herum und stieß sein Messer in den augenlosen, klumpigen Kopf; der Unglücksfall stürzte lautlos neben ihm zu Boden.
    Beauty bäumte sich auf und ließ die Hufe auf das kreischende Wesen niedersausen, das Isis schon tödlich verwundet hatte, und zerschmetterte ihm den Schädel.
    Nach dreißig Sekunden war alles vorbei.
    Josh raffte sich mühsam auf. An der unteren Rückenhälfte

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