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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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bitte, Karl, erzähle bei den Reitzaks nicht, dass ich ohne Arbeit bin.«
    »Was soll der Unsinn?«, fragte Karl.
    »Die wissen’s noch nicht. Ich will es der Franziska erst sagen, wenn ich eine neue Stelle habe.«
    Karl schüttelte ärgerlich den Kopf, aber er sagte schließlich: »Von mir werden sie nichts erfahren und die Resi kann auch schweigen, aber Unsinn ist es doch.«
    Das Zeugnis steckte Karl ihm drei Tage später zu. »Wegen Arbeitsmangel mussten wir uns von dem Nieter Paul Bienmann trennen.« Zu mehr hatte Willi Rath sich nicht überreden lassen.
    Pauls Eifer, Arbeit zu finden, flackerte noch einmal auf, aber die Meister verstanden es, in den Zeugnissen zwischen den Zeilen zu lesen, und schüttelten den Kopf. »Schlechte Zeiten«, sagten sie, wenn sie freundlich gestimmt waren. Aber »Hau ab!« tönte es ihm auch mehrmals entgegen.
    Ich muss nach Gelsenkirchen zu Hubert zurück, dachte Paul. Der Hubert hat Beziehungen. Der wird mir helfen. Er kratzte das Fahrgeld zusammen und fuhr am Samstagmorgen mit einem frühen Zug los.
    Hubert war erst gegen acht Uhr von der Nachtschicht gekommen und schlief. »Ich habe Zeit, Hildegard. Brauchst ihn nicht zu wecken.«
    »Ist auch besser, Paul. Berti hat seinen Schlaf nötig. Er ist ein Stückchen die Leiter hochgeklettert und belegt einen Kurs auf der Bergschule. Oberschott sagt, er wird es schaffen, der Berti. Wenn er erst Steiger ist, dann geht es raus aus der Kolonie. Die Steiger haben schöne Werkswohnungen auf die Stadt zu. Ein Badezimmer soll sogar zu jeder Wohnung gehören.«
    Paul war mit großen Hoffnungen nach Gelsenkirchen gefahren, aber in Warczaks Wohnzimmer lösten sie sich in nichts auf.
    Nach Bruno erkundigte sich Hildegard nur flüchtig. »Na, Schreiner und Bestatter, das ist doch ’ne sichere Existenz. Gestorben wird immer«, sagte sie.
    Endlich rührte sich Hubert im Schlafzimmer. Hildegard ging zu ihm. Paul hörte, wie sie auf ihn einredete, aber sie sprach so leise, dass er nicht verstehen konnte, was sie sagte. Hubert kam ins Wohnzimmer. Er sah abgearbeitet aus. Dunkle Ränder lagen unter seinen Augen.
    Kurz vor eins kam Siegfried von der Schule. Er war in die Höhe geschossen. Er trug bereits die grüne Schülermütze der Mittelstufe. Der Junge begrüßte Paul nur flüchtig und sagte, dass er gleich wieder in die Stadt müsse, er wolle mit seinem Freund für eine Klassenarbeit lernen. »Vielleicht komme ich erst morgen zurück«, sagte er.
    Sie aßen zu Mittag, aber weder Paul noch Hubert berührten die Frage nach der Arbeit. Hildegard redete von Frau Kursanka, die unlängst von einem Kostgänger bunt und blau geschlagen worden war, weil er die Meinung vertrat, wenn ihn die alte Kursanka schon in ihr Bett zerre, dann könne sie nicht auch noch Kostgeld von ihm verlangen. Und dass die Wanda, das Rabenaas, ein Kind erwarte und noch nicht einmal sechzehn sei, und dass der alte Gonzorra sie halb totgeprügelt habe, weil sie nicht mit der Sprache herausrückte, wer der Vater sei; und dass der Wirt an der Ecke eines Morgens tot hinter der Theke gelegen habe.
    Hubert berichtete vom Pütt. Täglich kämen Leute, die eingestellt werden wollten, aber die Zeiten seien eben nicht danach. Viele Neuigkeiten mehr erfuhr Paul. Er spürte, dass Hildegard und Hubert seine Frage nach Arbeit mit einem Redeschwall fortspülen wollten.
    Eigentlich hatte er über Sonntag bleiben wollen, aber er bemerkte die Erleichterung der Warczaks, als er sich am Spätnachmittag verabschiedete.
    »Schön, dass du da warst«, sagte Hildegard und Hubert fügte hinzu: »Und besuch uns bald wieder.«
    An diesem 15. November war es mit der Inflation zu Ende. Paul war mit 37 Billionen Mark nach Gelsenkirchen gefahren. Als er in der Blütentalstraße vierzehn Stunden später wieder ankam, hätte ihm dafür kein Mensch mehr ein Streichholz verkauft.
    Am Sonntag kamen Karl und Resi zu Besuch. Franziska sagte: »Resi, du könntest eigentlich Brautführerin auf unserer Hochzeit werden. Du kannst dir in meiner Werkstatt ein langes Kleid nähen. Rosenfarben. Das passt gut zu deinem schwarzen Haar.«
    »Schlag dir die Hochzeit vorläufig aus dem Kopf«, stieß Paul hervor.
    Es wurde so still, dass das Gurren von Cremmes’ Tauben deutlich zu hören war.
    »Ich bin seit über vierzehn Tagen arbeitslos. Gefeuert. Von einem Tag auf den anderen gefeuert. Und es sieht nicht so aus, als ob ich bald eine neue Stelle finden könnte.«
    Karl erzählte, wie es zu der Entlassung gekommen war. »Ich habe

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