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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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schluckte, lachte auf einmal laut und sagte: »Hab ich euch sicher schon mal erzählt, nicht wahr?« Er schmunzelte und drohte Paschke mit dem Zeigefinger. »Ein Witzbold, dieser Paschke! Will seinen eigenen Lehrer auf den Arm nehmen. Aber immerhin, er hat die Geschichte gut behalten.« Von Wichtel schüttelte den Kopf, dann aber fasste er sich und sagte: »Nun, wie auch immer. So ähnlich war’s. Aber was ist aus dieser Geschichte zu lernen?«
    »Rauchen macht friedlich«, flüsterte Karl Paschke, aber er traute sich nicht, das laut zu sagen.
    Leo Wefers meldete sich und kam an die Reihe.
    »Wenn die Menschen verschiedener Völker nicht gegeneinander …« Hier stockte Leo, fuhr dann aber fort: ». …enn sie sich ergänzen, ich meine, der eine das Feuer, der andere die Zigaretten …«
    »Schleimscheißer«, klang es aus den hinteren Bänken.
    Leo wurde rot und verstummte.
    »Genauso ist es«, bestätigte der Lehrer voll Eifer. »Gemeinsam und in Frieden.«
    »Aber zwei Minuten später haben Sie doch wieder aufeinander geschossen«, wandte Karl Paschke ein.
    »Was blieb uns anderes übrig? Im Krieg ist das nun mal nötig. Töten oder getötet werden. Darum geht es im Krieg.«
    »Ich verstehe es trotzdem nicht.« Bruno war das, eigentlich ohne dass er es wollte, entschlüpft.
    »Genauer bitte, Kurpek! Was ist es, das du nicht verstehst?«
    »Wir haben, Herr Lehrer, dicht an der Grenze gewohnt. In Liebenberg in Ostpreußen. Vor dem Krieg bin ich von meiner Mutter oft nach drüben geschickt worden. Die Grenze war ja nur ein schmaler Graben mitten durch den Wald. Im Polnischen machten sie eine leckere Wurst und billig war die auch. Mein Vater arbeitete bei dem Lukas Bienmann. Wir mussten auf jeden Pfennig achten, denn viel war da nicht zu verdienen. Deshalb kauften wir Fleisch und Wurst im Polnischen. Sie kannten uns und wir kannten sie. Dann fing der Krieg an. Auf einmal war alles anders. Geschossen wurde. Weggetrieben wurden erst wir Deutsche und später hat Hindenburg die Polen weggetrieben. Viele Tote hat es gegeben in den Dörfern an der Grenze. Warum, Herr Lehrer? Warum?«
    »So ist das nun mal«, antwortete der Lehrer. »Die Heimat musste verteidigt werden. Krieg ist Krieg.« Er brach unvermittelt ab und sagte: »Kurpek, vergiss es nicht, ich will noch mit dir sprechen. Kannst mir die Tasche nach Hause tragen.«
    Von Wichtel wohnte nicht weit von der Schule entfernt. Bruno trottete neben ihm her, in der einen Hand trug er die Tasche, in der anderen hielt er seine Mütze. Gesprochen wurde auf dem Weg kein Wort.
    »Margret, gib dem Kurpek ein Glas Limonade!«, rief von Wichtel in die Küche hinein. Er nahm Bruno mit in sein Arbeitszimmer, eine schmale, mit dunklen Möbeln vollgestopfte Kammer. »Setz dich dort auf den Stuhl!«, befahl er.
    Eine dicke Frau mit einem gewaltigen blonden Haarknoten mitten auf dem Kopf brachte eine wässrige, hellrote Limonade. »In einer halben Stunde steht das Essen auf dem Tisch, Benno«, sagte sie.
    In dieser halben Stunde erfuhr von Wichtel, warum Brunos Eltern das Diktat nicht unterschreiben konnten. Auch wie Brunos Bruder umgekommen war, erzählte der Junge. »Der Offizier hat mich weggezerrt und einfach geschossen. Zweimal hat er auf Wilhelm geschossen. Er hatte blondes Haar und die Narbe an seiner Schläfe war ganz weiß. Aus seiner Tasche hat er eine flache Flasche gezogen. Bevor er einen Schluck trank, hat er gesagt: ›Mach, dass du nach Hause kommst.‹ Dann ist er seinen Soldaten nachgerannt.«
    Von Wichtel schwieg. Aber dann schaute Bruno ihn an und sagte: »Das war doch ein Mord, Herr Lehrer!«
    »Mord, mein Junge, Mord …« Von Wichtel trommelte mit den Fingern auf der Schreibtischplatte. »Im Bürgerkrieg gelten harte Gesetze. Du sagtest, dein Bruder hatte einen Bauchschuss. Vielleicht war er längst tot, als auf ihn geschossen wurde.«
    »Bestimmt nicht, Herr Lehrer. Mit letzter Kraft hat er noch nach der Handgranate gegriffen.«
    »Aha«, sagte von Wichtel. »Ich glaube, kein Gericht in ganz Deutschland würde unter solchen Umständen sagen, dass das ein Mord war. Das Militär ist in Ordnung, Junge. Es sorgt dafür, dass die Menschen wieder einen festen Rahmen haben. Sonst geht alles aus den Fugen.«
    Die Frau rief zum Essen. Von Wichtel erhob sich. »Brauchst nichts mehr unterschreiben zu lassen, Kurpek«, sagte er.
    Von wem auch?, dachte Bruno. »Einen Vormund brauchst du, Kurpek«, sagte von Wichtel und begleitete den Jungen zur Tür. Als Bruno die Treppe

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