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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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überlassen.
    Wenn es dunkel geworden war, dann hatte Siegfried gelegentlich mit leiser Stimme gebeten: »Erzähl mir von meinem Opa und von meiner Oma.«
    Widerwillig erst, dann aber immer ausführlicher, hatte Bruno von den Warczaks erzählt, von den beiden leichten Pferden, von den Fahrten mit dem Wagen, vom Pflügen und Kartoffellesen, von der Kornernte, vom Dreschen in den Wintermonaten, wenn die Drescher aus dem Polnischen kamen und für ein paar Tage viele Stunden lang die Dreschflegel schwangen. Wenn er dann schließlich aufhörte, war Siegfried meist bereits eingeschlafen.
    »Erzähle mir, wie meine Oma gestorben ist«, forderte Siegfried an diesem Abend.
    »Woher weißt du davon?«, fragte Bruno.
    »Ich hab den Brief gelesen, den mein Opa geschrieben hat, aber als Vater das sah, hat er den Brief in die Kiste eingeschlossen.«
    Bruno stand mit einem Mal dieser Abend wieder ganz klar vor Augen.
    Er begann, zuerst stockend, zu erzählen, aber dann vergaß er Siegfried und die Schlafkammer und Gelsenkirchen und es war ihm, als ob alles erst gestern geschehen wäre.
    »Es war wenige Monate, nachdem die Russen 1917 mit den Deutschen Frieden geschlossen hatten. In der Dämmerung war Frau Warczak, das Joch auf den Schultern, zum Dorfbrunnen gegangen. Die Warczaks hatten zwar längst, wie die meisten Höfe, einen eigenen Brunnen, aber es war mühsam, den Wassereimer mit einer Kurbel hochzudrehen. Den Dorfbrunnen haben die Bienmanns gebaut. Er besaß einen Zugbalken, der über einer eisernen Achse leicht zu heben und zu senken war. Ein Kind konnte das Wasser emporholen. Aber was die Frauen mehr lockte, das war das abendliche Treffen dort am Brunnen, der kleine Schwatz nach dem langen Tag harter Arbeit in Stall und Feld und Haus.
    An diesem Abend nun schöpfen die Frauen das Wasser, stellen die gefüllten Eimer auf die Straße und reden miteinander. Auch Bertha Kaldaun ist dabei, ein weizenblondes, stabiles Frauenzimmer, gerade zwanzig vielleicht. Auf dem Arm trägt sie ihren kleinen Bruder, wie beinahe jeden Abend, und während sie das Wasser hochhievt, stellt sie ihn auf die eigenen Beine und er läuft von einer Frau zur anderen. Stefan war damals noch nicht in der Schule. Ein Kind wie Milch und Blut, sagte deine Oma noch, als sie schon auf den Tod lag.
    An diesem Abend nun albern die Frauen mit dem Jungen herum, fragen ihn, welche von ihnen er später einmal heiraten will, und lachen laut, als Stefan auf seine Schwester zeigt und sagt: ›Die ist die Stärkste.‹
    Plötzlich kommt er aus den Wäldern. Ein ausgewachsener Fuchs, von Bienmanns Haus her an der Kirche vorbei auf den Brunnen zu. Sein Fell ist zottig. Er läuft langsam. Es sieht aus, als ob er schwankt. Seine Lefzen hat er hochgezogen, das entblößte Gebiss schimmert gelblich und geradewegs auf die Frauen zu nimmt er seinen Weg. Die verstummen, schauen und stehen wie gelähmt.
    ›Tollwut!‹, stößt Trudchen Grumbach hervor.
    Wie durch ein Zauberwort sind die Frauen aus ihrer Starrheit erlöst, rennen los, schreien auch. Auch deine Oma läuft weg, dreht sich aber noch einmal um und sieht den Stefan am Brunnen stehen. Ja, er tappt dem Fuchs sogar ein paar Schrittchen entgegen.
    ›Bertha!‹, schreit die Warczak. ›Bertha, dein Bruder!‹ Aber die Bertha Kaldaun scheint taub, rennt weiter. Da geht deine Oma zurück an den Brunnen, ist gleichzeitig mit dem Fuchs dort. Der steht kaum einen Schritt von dem Kind entfernt, knurrt und keucht, und der Junge verzieht sein Gesicht, beginnt zu schluchzen, aber rennt nicht weg. Die Warczak nimmt ihr hölzernes Joch vom Boden auf, der Fuchs macht einen Satz auf sie zu. Sie steht genau zwischen dem Jungen und dem Tier. Der Stefan klammert sich an ihren Rock.
    ›Lauf doch, du Dummkopf!‹, schreit sie, aber er greift nur fester in ihren Rock.
    Da springt der Fuchs. Sie schlägt ihm das Joch zwischen die Ohren. Er fällt zu Boden, taumelt, rafft sich auf, springt noch einmal wie wahnsinnig, verbeißt sich in ihre Hand. Sie schüttelt ihn ab, drischt mit dem schweren Joch auf den roten Pelz, immer wieder und wieder und immer noch, als der Fuchs schon längst mit glasigen Augen tot daliegt.
    Sicher, der Warczak reitet los wie ein Wilder und holt den Arzt aus Ortelsberg in derselben Nacht noch. Als der hört, was vorgefallen ist, da will er nicht kommen, weil gegen die Tollwut kein Kraut gewachsen ist.
    ›Wo ist Ihre Tasche?‹, fragt der Warczak.
    ›Welche Tasche?‹, will der Arzt wissen.
    ›Na, die Sie immer mit

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