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Zeitbombe

Titel: Zeitbombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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würde, fuhren die beiden los. Hain hatte darauf bestanden, die Autobahn zu meiden und über kleine Nebenstraßen zu fahren, was sich im Nachhinein als sehr vorausschauend erwiesen hatte, wie sie am Radio hören konnten. Die A7 war hoffnungslos mit Urlaubsreisenden verstopft.
    Dr. Franz saß über ein großes Mikroskop gebeugt in seinem Arbeitszimmer in der Göttinger Gerichtsmedizin, als Angelika Weber die Beamten hereinführte. Der Arzt sah weder auf noch erwiderte er den Gruß der beiden. Die Praktikantin sah zuerst ihren Chef und danach Lenz und Hain an, zuckte mit den Schultern und verließ schweigend den Raum.
    »Hallo, Herr Dr. Franz«, machte Lenz erneut auf sich aufmerksam.
    Nun hob der Arzt den Kopf, drehte sich mitsamt dem Stuhl, auf dem er saß, in ihre Richtung und schluckte deutlich sichtbar.
    »Ich muss mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen, meine Herren«, begann er mit belegter Stimme.
    Die beiden Kommissare sahen sich irritiert an.
    »Warum?«
    »Weil ich arrogant und besserwisserisch Ihnen gegenüber aufgetreten bin. Dafür, und es fällt mir ganz sicher nicht leicht, es einzugestehen, schäme ich mich und will Sie aufrichtig um Verzeihung bitten.«
    Lenz kannte den Rechtsmediziner seit vielen Jahren, doch in diesem Zustand hatte er ihn noch nie erlebt. Sein Gesicht war aschfahl, seine Hände zitterten, und beim Sprechen konnte man merken, dass sein Mund trocken war.
    »Ja, wie auch immer, Doc«, mischte Hain sich ein, der ebenso überrascht war wie sein Kollege, »wir verzeihen Ihnen natürlich alles, aber vielleicht sollten Sie uns zuerst mal sagen, warum Sie so durch den Wind sind. Sie sehen ja aus, als hätte der Sensenmann bei Ihnen angeklopft.«
    »So ähnlich fühle ich mich auch, Herr Kommissar.«
    »Also, was ist passiert, Herr Doktor?«, fragte Lenz nach einer kurzen Pause, während keiner der drei etwas gesagt hatte.
    »Ich habe einen Fehler gemacht«, erwiderte Franz leise. »Einen schweren Fehler vermutlich.«
    »Ja, das ist so weit klar«, bestätigte Hain, »aber was für einen denn?«
    Dr. Franz ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen und sah die Polizisten ernst an.
    »Wie es sich nach dem aktuellen Stand der Untersuchungen darstellt, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Tote von heute Morgen, dieser Wolfram Humpe, sich nicht selbst das Leben genommen hat.«
    »Was?«, riefen Lenz und Hain wie aus einem Mund.
    »So leid es mir tut, aber es gibt deutliche Hinweise, dass bei seinem Tod nachgeholfen wurde.«
    »Und wie sehen die genau aus?«, wollte Hain wissen.
    Der Arzt spannte seinen Körper und schloss kurz die Augen, ehe er zu einer Antwort ansetzte.
    »Ich habe Spuren von Rocuronium in seinem Blut gefunden.«
    »Nie gehört«, gab der Oberkommissar zurück. »Was ist das?«
    »Rocuronium ist ein nicht depolarisierendes Aminosteroid-Muskelrelaxans.«
    Lenz und Hain sahen sich unsicher an.
    »Müsste man als normaler Kripobeamter wissen, was das ist?«, fragte der Hauptkommissar.
    »Nein, das muss man als normaler Kripobeamter ganz bestimmt nicht wissen, Herr Lenz.«
    Dr. Franz rieb sich müde die Augen.
    »Rocuronium ist ein Mittel, das in der Anästhesie verwendet wird. Es sorgt dafür, dass die für einen medizinischen Eingriff, also eine Operation, in der Regel notwendige Erschlaffung aller Muskeln im Körper eingeleitet und aufrechterhalten wird.«
    »Also ist es ein Schlafmittel?«
    Der Mediziner schüttelte den Kopf.
    »Nein. Das Schlafmittel …«
    Dr. Franz sah die beiden Nichtmediziner an und machte dabei ein unglückliches Gesicht.
    »Ich erkläre es Ihnen jetzt mal ganz genau, meine Herren, um jeglicher Irritation gleich von Anfang an zu begegnen. Also, wenn ein Mensch anästhesiert, oder einfacher, in Narkose versetzt wird, braucht es dazu eine klare Systematik. Zunächst muss der Anästhesist dafür sorgen, dass der Patient einschläft, was unter Zuhilfenahme eines starken Schlafmittels kein Problem darstellt. Die nächste Phase gilt der Erreichung der Schmerzfreiheit. Dafür gibt es, wie der Name schon sagt, Schmerzmittel, die sogenannten Analgetika. Es ist übrigens nicht ungewöhnlich, dass die beiden benötigten Wirkstoffe gleichzeitig verabreicht werden. Das ist aber noch nicht alles. Zumindest bei größeren Eingriffen ist es notwendig, sämtliche Muskelaktivitäten des Patienten auszuschalten. Dazu bedient man sich eines sogenannten Muskelrelaxans, also eines Stoffes, der dafür sorgt, dass die komplette Skelettmuskulatur des Körpers vollends

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