Zeitbombe
mit dem Mord an zwei Polizisten zu tun, sondern müssen uns obendrein auch noch mit einer geifernden Medienmeute und einem frisch installierten Vorgesetzten herumplagen, der von Tuten und Blasen rein gar keine Ahnung hat. Und als ob das alles nicht reichen würde, schwirrt mir immer noch Ludgers komischer Auftritt beim Chinesen durch die Birne, von dem ich mittlerweile glaube, dass er irgendwie etwas mit der ganzen Sache zu tun haben könnte.«
Hain ließ die Stadtgrenze von Göttingen hinter sich, beschleunigte und legte den fünften Gang ein.
»Das meinst du doch nicht im Ernst, dass Ludger etwas mit der Geschichte zu tun haben könnte?«
Der Hauptkommissar betrachtete aus dem Wagen heraus ein wogendes Weizenfeld.
»So aufgeregt, wie der war, plagt den irgendwas ganz furchtbar. Auf jeden Fall weiß er mehr, als er rausrücken wollte, davon bin ich felsenfest überzeugt.«
»Dann ruf ihn halt an und frag ihn«, schlug Hain vor.
»Den Teufel werde ich tun. Der meldet sich schon ganz von selbst, wenn es sich bis zu ihm rumgesprochen hat, dass zumindest Wolfram Humpe sich nicht selbst abgeknipst hat.«
Gut zwei Stunden später hielten die Polizisten die richterliche Anordnung zur Exhumierung von Norbert Schneider in Händen. Oberstaatsanwalt Marnet, den sie zu ihrer großen Überraschung in seinem Büro angetroffen hatten, benötigte genau zwei Telefonate, um die Sache zu ihrer Zufriedenheit zu klären.
»Wir müssen unseren heiß und innig geliebten neuen Vorgesetzten über die aktuelle Entwicklung unterrichten«, bemerkte Hain trocken, als sie auf dem Weg zum Kasseler Hauptfriedhof waren.
»Denk bloß nicht, dass ich das mache«, baute Lenz wieselflink vor.
»Aber du bist der Boss. Außerdem sollte es dir schon eine besondere Genugtuung bereiten, ihm das, was der Doc herausgefunden hat, aufs Brot zu schmieren.«
»Auch wieder wahr«, stimmte Lenz ihm zu, griff nach einer kurzen Bedenkzeit zum Telefon und wählte.
»Nur die Mailbox«, ließ er seinen Kollegen wissen, nachdem er den Anruf beendet hatte.
»Und warum hast du nichts hinterlassen?«
»Weil wir dann wenigstens während der Ausgrabungsarbeiten unsere Ruhe haben. Irgendwelche Einwände?«
»Nö.«
Die eilig herbeitelefonierten Arbeiter der Friedhofsverwaltung standen schon mit Schippen bewaffnet am Grab bereit, als die Polizisten eintrafen. Im Hintergrund brummte sonor der Dieselmotor eines Minibaggers, der links neben dem mit vertrockneten Kränzen bedeckten Grab stand.
12
Rüdiger Bornmann trat aus dem Haus, stakste schwerfällig und auf seinen Stock gestützt die fünf Stufen hinunter, die der Bürgersteig tiefer lag, und humpelte langsam Richtung Straßenbahnhaltestelle davon. Während der gebückt gehende Mann mit dem markanten roten Rucksack auf den Schultern sich kurz umdrehte, hatten die beiden Polizisten, die in dem auffällig-unauffälligen VW-Passat auf der anderen Straßenseite saßen, für einen Augenblick den Eindruck, er würde ihnen zulächeln.
»Zu Fuß oder mit dem Wagen?«, wollte Oberkommissar Guido Bruhnke wissen, der mit verschränkten Armen hinter dem Lenkrad saß.
»Mit dem Auto«, entschied sein Kollege Bernd Zimmermann nach einem Blick auf die Uhr vom Beifahrersitz aus.
Bruhnke griff zum Zündschlüssel und wollte den Motor starten, doch Zimmermann winkte ab.
»Brauchst du noch nicht. Er geht jetzt zur Straßenbahnhaltestelle, steigt in die 1 und fährt nach Wilhelmshöhe. Dort steigt er an der Wendeschleife aus und hickelt bis zur Therme, wo er sich eine Vier-Stunden-Karte kauft. Nach genau 240 Minuten verlässt er das Bad und nimmt den gleichen Weg zurück, den er gekommen ist. Damit ist der Samstag dann gelaufen. Vielleicht verbringt er die übrigen Stunden vor der Glotze und holt sich dabei einen runter, das weiß ich nicht, und es interessiert mich auch nicht.«
»Warum bist du denn so genervt?«, fragte Bruhnke vorsichtig. Zimmermann winkte ab.
»Es ist schon viel besser geworden. Vor ein paar Tagen wollte ich ihn noch abknallen.«
Der Oberkommissar sah ihn mit großen Augen an.
»Das verstehe ich nicht.«
»Was gibt es denn daran nicht zu verstehen?«, fauchte der Polizist auf dem Beifahrersitz. »Seit mehr als drei Monaten mache ich Schicht für Schicht nichts anderes, als diesem Wichser beim Leben zuzugucken. Tag für Tag und Nacht für Nacht hocke ich in irgendeinem verschissenen Polizeiwagen und sehe ihm dabei zu, wie er nichts tut. Rein gar nichts.«
»Ich weiß …«, wollte
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