Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zeitbombe

Titel: Zeitbombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
erschlafft. Dummerweise betrifft das dann auch die Atemmuskulatur, weswegen die Patienten während der OP zwangsbeatmet werden müssen.«
    »Das ist die Sache mit dem Schlauch im Hals«, erinnerte sich Hain an die Operation nach einer Schussverletzung ein paar Jahre zuvor.
    »Der Tubus, ja«, stimmte Franz ihm zu. »Auch um ihn zu platzieren, ist es wichtig, dass die Muskeln entspannt sind, weil es dann, wegen der fehlenden Abwehrbewegungen, weniger häufig zu Verletzungen der Stimmlippen kommt und außerdem das Einführen des Tubus eindeutig leichter vonstatten geht.«
    »Schön«, kommentierte Lenz seinen Kurzvortrag in Anästhesie mit ein wenig Ironie in der Stimme, »aber was hat das alles mit unserem Wolfram Humpe zu tun? Ist er betäubt worden, bevor er auf die Gleise gelegt wurde?«
    »Nein, so kann man das nicht sagen. Ich bin noch dabei, die genauen Bedingungen zu untersuchen, aber ich kann Ihnen immerhin schon sagen, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht betäubt war, als er auf den Gleisen lag.«
    Die beiden Kripobeamten sahen sich fragend an.
    »Was war er also, wenn er nicht betäubt war?«, fand Hain als Erster die Sprache wieder.
    Dr. Franz hob entschuldigend die Hand.
    »Ich bitte Sie, mir noch etwas Zeit zu geben. Ich habe die Laborergebnisse an einen befreundeten Kollegen gemailt und hoffe, dass er sich in den nächsten Minuten bei mir melden wird. Dann kann ich Ihnen hoffentlich …«
    Wie auf Bestellung klingelte das abgegriffene, fleckige Telefon auf dem Schreibtisch. Franz griff nach dem Hörer und meldete sich. Lenz und Hain hörten zwar alles, was er in den nächsten zehn Minuten sprach, verstanden jedoch fast nichts davon. Dann legte der Arzt auf, streckte sich und sah die beiden Kommissare mit gerunzelter Stirn an.
    »Es ist, wie ich es mir gedacht habe, meine Herren. Die Dosis an Rocuronium, die der Mann intus hatte, hat ihn – ich würde mal sagen – paralysiert. Oder, vielleicht besser, ihn in den Zustand einer völligen Parese versetzt.«
    Die Polizisten verstanden nur Bahnhof, was Dr. Franz gut an ihren Gesichtern ablesen konnte.
    »Um es für Laien verständlich auszudrücken: Wolfram Humpe konnte sich zwar vermutlich nicht oder nur sehr eingeschränkt bewegen, aber er hat nach Meinung meines Kollegen und meiner eigenen alles, was sich um ihn herum abgespielt hat, wahrgenommen. Das ist …«
    Lenz hatte den Arm gehoben und den Rechtsmediziner unterbrochen.
    »Nur dass wir uns richtig verstehen, Doc. Sie wollen uns gerade erklären, dass irgendjemand Wolfram Humpe dieses Mittel verabreicht und ihn dann auf die Schienen gelegt hat. Und dass Humpe währenddessen alles mitgekriegt hat, sich aber nicht wehren oder weglaufen konnte?«
    Franz nickte.
    »Genau das will ich Ihnen damit sagen. Mein Kollege, der übrigens Chefanästhesist in einer Uniklinik ist, glaubt nach den Mengen von Rocuronium, die wir in Humpes Blut gefunden haben, dass er zwar bei Bewusstsein war, aber nicht in der Lage, sich zu bewegen. Natürlich war auch seine Atmung betroffen, und es sollte ihm nicht leichtgefallen sein, Luft zu holen, aber es wird alles in allem so weit funktioniert haben, dass er bei Bewusstsein gewesen ist. Was sich im Übrigen auch mit der Kohlenmonoxydkonzentration in seinem Blut deckt, die war nämlich deutlich erhöht.«
    »Und dieses Rucorumium …«, mischte Hain sich ein, »bewirkt …«
    »Rocuronium«, wurde er von Franz verbessert.
    »Ja, meinetwegen. Also dieses Rocuronium bewirkt, dass man die Muskeln nicht mehr anspannen kann. Was in Humpes Fall bedeutet, dass ihm jemand das Zeug verabreicht haben muss, weil er das selbst nicht gemacht haben wird. Wie geht das eigentlich?«
    »Rocuronium kann nur über das Blut aufgenommen werden, also hat es ihm der Täter vermutlich injiziert.«
    »Spuren diesbezüglich?«, hakte Lenz nach.
    »Nein. Was aber nichts heißen muss; Sie haben die Überreste des Mannes ja gesehen.«
    »Aber Sie sind nach all Ihren Erkenntnissen und Untersuchungen jetzt der Meinung, dass es sich bei seinem Tod nicht um Suizid handelt?«
    Dr. Franz nickte betroffen.
    »Das bin ich, ja. Und ich bitte Sie beide deswegen noch einmal um Entschuldigung, weil …«
    »Schwamm drüber, Doc«, würgte Lenz ihn ab. »Wir sind alle nur Menschen und keinesfalls perfekt.«
    »Ja.«
    Hain nickte zustimmend.
    »Mir geistert die ganze Zeit etwas durch den Kopf, aber ich finde das richtige Wort nicht, Herr Doktor. Dieses Rocuronium erinnert mich ganz stark an ein Gift, das die

Weitere Kostenlose Bücher