Zeiten des Verlangens
einmal versucht sein, ihn zu treffen. Ich werde die Bibliothek allein verlassen.
30
Der gesamte dritte Stock war still. Sie stand vor der dunklen, bronzefarbenen Tür von Zimmer 402 und sammelte sich. Nach stundenlangem quälenden Hin- und Herüberlegen, was nun zu tun sei, war ihr klar, dass sie nicht einfach gehen konnte, wenn sie wusste, dass er auf sie wartete. Vielleicht war sie schwach. Oder vielleicht war sie auch nur neugierig, was er tun würde.
Oder vielleicht liebte sie ihn.
Sie hatte nicht gewusst, was dieses Wort bedeutet: Verliebt . Jetzt wusste sie, dass es ein Codewort war für: »Ich habe eine Entschuldigung, völlig unsinnige Entscheidungen zu fällen.«
Sie erinnerte sich, wie sie das letzte Mal in diesen Raum gekommen war, nur um dort auf eine nackte Frau zu stoßen, die sich in Ekstase vornüberbeugte, Sebastian hinter ihr, die Hände auf ihren Hüften, den Mund leicht geöffnet. Sein Blick hatte sich direkt in sie gebohrt. Sie erkannte die Regina von damals fast nicht mehr. Und sie wollte nicht zurück.
Langsam drückte sie die Klinke hinunter.
Die Luft war stickig. Das war ihr beim letzten Mal nicht aufgefallen, aber es roch muffig und nicht gerade angenehm in diesem Raum. Dennoch sah er noch genauso ansprechend aus wie in ihrer Erinnerung: das klassisch englische Dekor, die deckenhohen Bücherregale und natürlich der wuchtige Holztisch.
Sebastian saß diesmal und war voll bekleidet.
»Mach die Tür zu«, bat er.
Sie drehte sich um und schloss die Tür. Dann verharrte sie mit der Hand auf der Klinke und ermahnte sich, nicht von ihrem Entschluss abzuweichen. Sie würde ihm erklären, dass sie nur gekommen war, um ihm zu sagen, dass es für sie aus war – keine Geschenke mehr, kein Simsen, keine Kuriere.
Kein Sex.
Er stand auf und kam zu ihr. Als seine Schritte verstummten, drehte sie sich um.
Sie blickte starr auf seine Brust, denn sie fürchtete, ihre Entschlusskraft würde schwinden, sollte sie in sein Gesicht sehen.
»Erinnerst du dich, wie du das letzte Mal hier reingekommen bist?«, fragte er.
»Ja«, flüsterte sie und sah noch immer nicht auf. Obwohl er eine Armeslänge von ihr entfernt stand, roch sie seinen ganz speziellen Duft, und das weckte den Impuls in ihr, das Gesicht an seiner Brust zu vergraben und diese Kuhle an seinem Halsansatz zu küssen.
»Was hast du gesehen?«, fragte er.
»Ich, äh, … sah dich beim Sex mit einer Frau.«
»Ich habe eine Frau gevögelt«, sagte er. »Und weißt du, was passiert ist, als du wieder weg warst?«
»Nein«, hauchte sie.
»Ich habe sie weitergevögelt. Aber ich habe mir vorgestellt, sie wäre du.«
Regina wäre fast in Ohnmacht gesunken. Er hielt sie mit beiden Händen an den Oberarmen.
»Schau mich an«, befahl er. Sie tat wie geheißen und gestand sich ihre Niederlage ein. Er sah so gut aus. Sein Blick war auf sie geheftet, seine Augen suchten ihre, gaben ihr alles und verlangten im Gegenzug das Gleiche von ihr.
»Ich habe mir ausgemalt, du wärst diese nackte Frau vor mir, in dich würde ich meinen Schwanz stoßen, und von deinen Lippen käme das Gebettel um mehr. Und dann bin ich gekommen.«
Regina löste sich von ihm und machte ein paar Schritte in den Raum. Ihr Atem ging stoßweise. Sie lehnte sich an den großen Tisch und spürte, wie er sich hinter ihr bewegte.
»Seit jenem Tag wollte ich dich über diese Bank beugen – um meine Fantasie wahr werden zu lassen.«
Sie spürte, wie seine Finger an den kleinen Knöpfen hinten an ihrem Kleid nestelten, und umfasste die Tischkante. Sie wusste, dass sie ihn aufhalten sollte, dass jede Sekunde, die sie hier stand, alles untergrub, was sie ihm am Vorabend und Morgen gesagt hatte. Aber sie redete sich ein, dass sie nur noch einmal nachgeben würde. Nur dieses eine letzte Mal.
Ihr Kleid glitt zu Boden.
»Zieh die Unterwäsche aus und geh zu dieser Marmorbank, sodass du Richtung Tür blickst.«
Mit zitternden Händen löste sie das Häkchen an ihrem BH , streifte ihr Höschen ab und ließ beides auf einem Häufchen zu ihren Füßen liegen. Und dann ging sie langsam und beschämt zu der Marmorbank neben dem Tisch. Sie stellte sich vor, jemand würde in diesem Moment hereinkommen, so wie sie damals, als sie Sebastian überrascht hatte. Tja, damit würde sich der Kreis dann schließen, dachte sie. Das wäre dann ein Zeichen des Universums, dass es enden sollte.
Sie wollte ihn bitten, die Tür abzuschließen, aber etwas hielt sie davon ab. Und sie wusste, dass sie
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