Zeiten des Verlangens
mit mir, mein Interesse an der Bibliothek, war der Auslöser für sie, sich für den Job zu bewerben.«
Regina schwirrte der Kopf von all diesen neuen Informationen. Es war, als würde sie ihr ganzes Leben in New York durch ein Kaleidoskop betrachten, das alles in Millionen Farbpartikel auflöste.
»Sie hat den Job wegen dir angenommen«, sagte Regina.
»Nein, nicht wegen mir. Sie wollte irgendetwas machen, nachdem ihre Stelle bei Ralph Lauren gekürzt worden war. Ich wusste, dass sie in der Bibliothek jemand suchten …«
»Tja, das erklärt so einiges«, bemerkte Regina. Sebastian ging nicht darauf ein, doch hätte er es getan, hätte Regina erklärt, dass Sloans Gleichgültigkeit gegenüber Büchern oder der Bibliothek offensichtlich war – dass sie nur die Zeit überbrückte, bis sie heiratete oder etwas anderes fand.
Und dann kam ihr noch ein anderer Gedanke, ein schmerzlicher, der eine Frage aufwarf, obwohl sie die Antwort gar nicht hören wollte.
»Hast du sie je fotografiert?«, fragte Regina leise. Sebastian sah ihr fest in die Augen.
»Ja«, sagte er. Regina zuckte zusammen wie unter einem Schlag. Dann hatten sie also etwas getan, das sie, Regina, nicht mit ihm tat – tun konnte. Ihre körperliche Beziehung mochte der Vergangenheit angehören, doch das würde ihr Sloan immer voraushaben. Schon in dem Moment, als sich dieser Gedanke in ihr formte, als er sie quälte, wusste sie, dass es Unsinn war. Aber das änderte nichts an ihrem Gefühl.
»Hast du sie in den Arsch gefickt?«, fragte sie.
»Sag nicht solche Sachen. Aus deinem Mund klingt das nicht richtig.«
»Hast du?«
»Nein«, sagte er.
Sie war erleichtert. Und das war der Moment, in dem sie begriff, dass sie dergleichen niemals »einfach zum Spaß« machen konnte. Dazu war sie nicht in der Lage.
»Regina, hör mir zu. Ich fotografiere seit meinem siebzehnten Lebensjahr Frauen. Ich schlafe mit Frauen, seit ich fünfzehn war. Ich hatte zahllose Bettgefährtinnen – manche ganz normal, andere, die ich über die BDSM -Szene kennengelernt habe, wo es … um mehr geht. Aber bei keiner habe ich das empfunden, was ich für dich empfinde. Ich habe noch nie jemanden in diese Welt eingeführt.«
»Warum nicht?«
»Ich wollte nicht. Und als ich dich gesehen habe, wollte ich es zuerst auch nicht. Du sahst bezaubernd aus und schienst ein wenig verloren und, um es platt zu sagen, hast meinen Eroberungsgeist geweckt. Aber als ich dann an dem Tag nach dem Young-Lions-Meeting mit dir gesprochen habe, wusste ich, dass mir das nicht reichen würde.«
Sie atmete schnell und hatte das Gefühl, dass ihr schon wieder gleich die Tränen kämen.
»Und jetzt?«, flüsterte sie.
»Jetzt kommst du mit mir zurück ins Four Seasons, und wir machen weiter, wo wir aufgehört haben.«
Sie stand auf, ging zu ihrer Kommode und spielte mit einer Haarspange herum.
»Ich meine, wo wird das Ganze hinführen? Meine Chefin kann mich immer weniger ausstehen, in der Arbeit geht es also den Bach runter. Okay, und du und ich gehen körperlich immer weiter, bis dir die nächste Eroberung ins Auge fällt – und dann bin ich – am Ende.«
»Regina, warum sagst du das? Ist es in der Arbeit wirklich so schlimm? Ich rede mit Sloan.«
»Nein!«, rief sie und drehte sich um. »Tu das nicht. Halte dich da raus.«
»Sloan ist nur eine Freundin. Ich hatte nichts mit einer anderen Frau seit unserer ersten gemeinsamen Nacht.«
»Nein?« Tatsächlich war Regina in ihrer Naivität gar nicht auf den Gedanken gekommen, er könnte neben ihr noch eine andere Frau gehabt haben.
»Nein«, betonte er, als könnte er es selbst kaum fassen. »Ich kann nicht – ich will niemand anderen. Und das ist mir noch nie passiert«, sagte er. »Merkst du denn nicht, wie fixiert ich auf dich bin? Okay, die Praktiken, die wir in meiner Wohnung – in diesem Raum – betreiben, sind nicht einzigartig. Aber meine Gefühle für dich sind es.«
Regina nickte und versuchte, alles zu verarbeiten, was er sagte, und es mit ihren eigenen Zweifeln und Ängsten in Einklang zu bringen. Und so gerne sie seinem Vorschlag folgen wollte – einfach mit ihm zu gehen und dort fortzufahren, wo sie aufgehört hatten –, sie konnte es nicht.
»Ich glaube, du musst jetzt gehen«, sagte sie.
»Warum?«
»Ich kann so nicht weitermachen«, erklärte sie und fing leise an zu weinen.
»Regina«, sagte er, »du musst gar nichts ›machen‹. Aber ich werde nicht gehen.«
Sie sah ihn fassungslos an. Sein Mund war fest
Weitere Kostenlose Bücher