Zeitenlos
genießen konnte. »Du könntest recht haben, aber das Risiko ist mir zu groß. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um zu verhindern, dass es passiert.«
»In Ordnung«, erwiderte ich.
Sein Handy klingelte, als ich gerade dabei war, ihn zu meinem Bett zu ziehen, um zu kuscheln. Er warf einen Blick auf die Nummer, und seine Augen verengten sich.
»Hallo?«, fragte er. »Nein, ich bin nicht zu Hause. Was ist los? … Welches? … Was haben sie mitgenommen? Verstehe. Ich bin sofort da.« Er legte auf.
»Was ist los?«, wollte ich wissen.
Er schob das Handy in die Tasche. »Noch ein Einbruch. Diesmal in eines meiner Labors.«
»Was wurde gestohlen?«
»Alligatorblut-Serum. Viel davon«, antwortete er.
Ich saß auf dem Bett und versuchte, diese Nachricht zu bewerten. Er beugte sich herunter und küsste mich auf die Stirn.
»Ich muss los.«
Ich erhob mich. »Wohin?« Das Ganze gefiel mir nicht. Ich wollte, dass er bei mir blieb.
»In ein paar Stunden bin ich zurück, versprochen. Aber ich muss mich darum kümmern.«
Er küsste mich erneut, und dieser Kuss war deutlich entspannter, als es der erste gewesen war.
»Ich bin immer noch nicht begeistert«, tat ich kund.
Er lächelte. »Ich bin in null Komma nichts wieder da.«
»Und wenn nicht? Was ist, wenn dir etwas passiert?«
Er verwarf den Gedanken mit einem Kopfschütteln. »Sophie, nichts wird mich davon abhalten, zu dir zurückzukommen.«
»Bist du sicher?«
»Wenn ich das nicht wäre, würde ich jetzt nicht gehen.«
Mit dem Wissen, dass er zurückkommen würde, fühlte ich mich besser, aber so ganz ließen mich meine Ängste nicht los. Ich wanderte ruhelos in meinem Zimmer auf und ab, bis ich endlich einsah, dass Grübeln auch keine Lösung war. Ich musste einfach daran glauben, dass alles gut gehen würde. Schließlich hatte er es lange genug geschafft, auf sich aufzupassen. Ich beschloss, ausgiebig zu duschen, ins Bett zu gehen und zu warten.
Damit ich nicht ununterbrochen an ihn dachte, brauchte ich eine Beschäftigung. Ich überlegte, was ich über Amelia und Lenny wusste, und versuchte, Parallelen herzustellen. Ich fühlte mich Amelia verbunden, ihrem instinktiven Bedürfnis, anderen in schwierigen Zeiten beizustehen und ihrem Interesse an Medizin. Außerdem stellte ich mir vor, dass sie sehr unabhängig gewesen sein musste, um in jenen Zeiten bei einer so experimentellen Aufgabe mitzumachen.
In Lenny sah ich Zähigkeit. Sie ließ sich von keinem Mann schlecht behandeln und war bereit, ein Risiko einzugehen. Außerdem machte sie nicht einfach alles mit, was andere taten. Ich mochte sie und erkannte mich auch in ihr wieder.
Ich hing meinen Gedanken ziemlich lange nach und überlegte weiter, was mich in jedem dieser Zeiträume geprägt hatte. Ich hatte immer gedacht, dass ich ein Produkt meiner Erziehung war, doch plötzlich war da ein neues Denkmodell: angeboren oder anerzogen? Ich fragte mich, ob ich wohl von Geburt an so war, wie ich war, oder ob meine Eltern mich geprägt hatten. Mir fiel ein, dass Wes mir nichts von meinen »anderen« Eltern erzählt hatte. Warum hatte er sie nicht erwähnt? War ich ihnen ähnlich? Eine seltsame Vorstellung.
Meine Gedanken kreisten, bis ich irgendwann einschlief. Nur Momente später machte die Dunkelheit hinter meinen Lidern einem sehr realen Albtraum Platz. Ein fremder Mann schrie mich an. Er wiederholte immer wieder, dass es mir noch leidtun würde. Ich schrie zurück, dass er keine Ahnung hätte, wovon er da redete. Dann schüttelte er mich heftig. »Er ist ein Freak!«, brüllte er. »Er verdient dich nicht!«
»Du weißt ja nicht, wovon du redest!«, schrie ich wieder. Dann war da noch ein fremdes Gesicht. Es gehörte zu einer Frau, die hinter dem Mann aufgetaucht war und ihn an der Schulter berührte.
»Bitte, Frank. Hör auf!«, bat sie unter Tränen.
Er war so außer sich, dass er sie zu Boden stieß. Ich wollte ihr helfen, aber er versperrte mir den Weg. »Du bist hier nicht erwünschst, solange du nicht tust, was ich sage!« Er packte mich bei den Schultern und schüttelte mich erneut. »Du bist in diesem Haus nicht willkommen, wenn du nicht gehorchst!«
»Gut! Dann gehe ich!«, kreischte ich. Hysterisch rannte ich aus dem Haus, stieg in mein Auto und raste völlig aufgelöst über die Schnellstraße. Ich weinte und konnte wegen meiner Tränen und des Regens, der auf die Scheiben prasselte, kaum etwas sehen.
Das Nächste, an das ich mich erinnerte, war ein ohrenbetäubendes
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