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Zeitenlos

Zeitenlos

Titel: Zeitenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelena Shorts
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das Gesicht von meinem Dauergrinsen weh. Es war schon mehr als albern, wie sehr ich aus dem Häuschen war. Ich stand völlig neben mir. Ich meine mich sogar schwach zu erinnern, dass ich mich irgendwann auf dem Bett umdrehte, um zu sehen, ob ich womöglich neben mir saß. Es war unglaublich, welche Emotionen mich durchliefen. Ich wollte ihn unbedingt wiedersehen, und dabei hatte er sich doch erst vor fünf Minuten verabschiedet. Angestrengt versuchte ich, auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen.
    Doch nach dem Abend mit Wes war es ziemlich schwierig, meinen normalen Tagesablauf wieder aufzunehmen. Ich bemühte mich, nicht ständig um das Telefon herumzuschleichen und auf einen Anruf zu warten. Zur Ablenkung fuhr ich viel mit dem Auto durch die Gegend. Das Wetter war immer noch so schön, dass ich das Verdeck abnehmen und die frische Luft genießen konnte. Einige Male fuhr ich zum Einkaufscenter und gelegentlich hielt ich am Aussichtspunkt; kurz, ich tat alles, damit die Zeit schneller verging, bis ich wieder mit Wes reden konnte.
    Er rief mich häufiger an, als ich erwartet hatte, aber ich ertappte mich dabei, dass ich mehr wollte. Eines Tages musste ich wohl einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck gemacht haben, denn er fragte spontan: »Ist alles okay? Du klingst irgendwie anders als sonst.«
    Weil ich nicht wie eine Klette erscheinen wollte, tat ich ganz gelassen. »Wieso? Alles bestens.«
    »Das hört sich aber nicht so an. Was ist los?«
    Okay, was hatte ich schon zu verlieren? Also gestand ich ihm, was mich beschäftigte: »Ich hatte gehofft, dich zu sehen.«
    »Wir sehen uns Donnerstag und am Wochenende zeige ich dir mein Haus.« Nächsten Donnerstag würden wir uns nach dem Mittagessen auf dem Campus treffen, aber das war nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt hatte.
    »Ich weiß, trotzdem. Ignorier mich.« Ich war froh, dass er meinen Schmollmund nicht sehen konnte. Bis Samstag waren es nur noch wenige Tage, aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich mies bei dem Gedanken, dass ich ihn bis dahin nicht sehen würde. Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich vermisste ihn mehr, als ich mir, oder ihm, eingestehen wollte.
    Nach dem Gespräch beschloss ich, mit meinen Hausaufgaben weiterzumachen. Ich hatte bereits einen Vorlauf von mehreren Tagen, aber ich brauchte Beschäftigung. Auf dem Plan stand ein Aufsatz über den Einfluss von Gewässerverunreinigung auf die Umwelt, und ich machte mich an die Recherche. Einige Stunden und zehn Webseiten später war mein Kopf voll von Informationen über Krankheitserreger, Abwasser, Viren, Urtierchen und die Nährstoffanreicherung in einem Gewässer. Nachmittags brauchte ich eine Pause. Ich musste nicht arbeiten und beschloss, zum Aussichtspunkt zu fahren, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
    Als ich das Haus verließ, sorgte die warme Brise dafür, dass es mir sofort besser ging. Ich lächelte, denn ich freute mich auf die Fahrt. Beim Anblick des kleinen schwarzen Wagens, der direkt vor dem Haus parkte, setzte mein Herzschlag für einen Moment aus. Ich atmete tief durch, um meine Nerven in den Griff zu bekommen, und musste dann unwillkürlich grinsen, während ich Kurs auf die Beifahrerseite nahm. Das Fenster öffnete sich.
    »Was machst du hier?«, fragte ich überrascht.
    »Du hast gesagt, dass du mich sehen willst.«
    »Aber du hast doch heute einen Kurs.«
    »Ich kenne mich in der englischen Literatur ziemlich gut aus. Ich glaube, ich werde es überleben, wenn ich den Kurs einmal ausfallen lasse.« Er lehnte sich lächelnd herüber. »Steig ein.«
    Ich kam gar nicht so schnell ins Auto, wie ich wollte. »Wo fahren wir hin?«
    »Wo wolltest du hin?«, konterte er.
    »Zum Aussichtspunkt.«
    »Warum?«, wollte er wissen.
    »Nur so, einfach um zu fahren.«
    »Okay, also fahren wir«, sagte er und legte den Gang ein.
    »Wie machst du das?«, fragte ich und sah auf den Schaltknüppel. Er folgte meinem Blick.
    »Das hier?«
    »Ja, du schaltest so weich. Ich hab das einmal versucht und meiner Mutter fast den Hals gebrochen.«
    Er lachte. »Du hattest nur den falschen Lehrer.«
    »So kann man das auch nennen.« Mir fiel auf, dass ich Jogginghosen und ein T-Shirt trug und er mal wieder schick angezogen war. Vielleicht sollte ich besser auf mein Aussehen achten, bevor ich das Haus verließ. Bisher hatte ich mich nicht darum gekümmert, weil ich es nicht gewöhnt war, mich mit jemandem in aller Öffentlichkeit zu treffen. »Wohin fahren wir?«, fragte ich, um nicht

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