Zeitenlos
»Wes! Hör mir zu! Du bist zu Hause.« Ich brüllte und schüttelte ihn gleichzeitig, damit er endlich zu sich kam. »Bitte! Wes, ich muss dich da reinschaffen. Du musst aufstehen!«
Er legte die Hände über die Augen, als wollte er sie vor grellem Licht schützen, aber da war kein Licht. Ich zog seine Hände nach unten und schrie: »Steh auf! Komm mit mir!« Er versuchte, seine Beine zumindest ein bisschen zu bewegen, und ich nutzte die Gelegenheit, ihn aus dem Wagen zu zerren, während er die Augen vor Schmerzen zusammengepresst hatte.
Ich bugsierte ihn Richtung Küchentür. Er war extrem schlaff und schwer, aber er bewegte sich, so gut er konnte, vorwärts. Ich musste meine ganze Kraft aufbringen, um ihn zu stützen. Im Eingangsbereich stöhnte er und murmelte wieder etwas von Zeit und anhalten und dass er nichts sehen könnte. Er bat mich inständig darum, ihn auf keinen Fall länger als bis zum nächsten Morgen schlafen zu lassen. Offensichtlich fantasierte er. Am liebsten hätte ich ihn nach oben in sein Zimmer gebracht, aber noch mehr Stufen kamen nicht infrage, weshalb ich mich für das Wohnzimmer entschied.
Als ich ihm half, sich aufs Sofa zu setzen, fiel er sofort um. Ich zerrte so lange an ihm herum, bis er der Länge nach darauf lag, und war ungeheuer erleichtert, dass der schwerste Teil überstanden war.
Jetzt musste ich ihn nur noch warm halten und dann abwarten, zumindest hoffte ich das. Ich sah mich um und entdeckte glücklicherweise den Schalter für den Kamin. Doch ich fand, dass das Sofa zu weit weg stand und schob es ächzend direkt davor. Meine nächste Hürde waren seine nassen Klamotten. Er hatte immer noch seinen Mantel an, was nicht sehr bequem aussah; ein weiteres Problem war die kalte, nasse Hose, die er trug. Beides musste unbedingt runter.
Ich verdrehte die Augen bei dem Gedanken, dass das wohl an mir hängen bleiben würde. Am liebsten hätte ich ihn hier und jetzt sich selbst überlassen, schließlich hatte ich getan, um was er mich gebeten hatte. Ich hatte ihn nach Hause gebracht und dafür gesorgt, dass ihm warm wurde. Damit war mein Job erledigt. Ich nahm an, dass es ihm bald besser gehen würde, aber als ich zu ihm ging, bemerkte ich, wie schlecht er aussah. Seine Gesichtsfarbe schien einigermaßen okay, aber es sah nicht so aus, als würde er atmen.
Ich beobachtete ihn genau und stellte fest, dass er einfach zu reglos dalag. Nervös zog ich ihm seinen Mantel aus und legte meine Hand auf seine nackte Brust. Dann hielt ich mein Ohr dicht an seinen Mund. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte einen schwachen Atem zu verspüren. Jedoch konnte ich weder an seinem Handgelenk noch an seinem Hals einen Puls fühlen. Weil ich mir jetzt wirklich Sorgen machte, horchte ich mit dem Ohr an seinem Herzen. Da war auch nichts. Ich hörte noch einmal genau hin, und als sich noch immer nichts tat, stieg Panik in mir auf. Ich erhob mich und ging ruhelos im Wohnzimmer auf und ab. Was hatte ich getan? Von Hilfe konnte wohl kaum die Rede sein.
Ich hatte zugestimmt, ihn nach Hause zu bringen, weil er behauptet hatte, er würde wieder in Ordnung kommen. Dass er stattdessen hier sein Leben aushauchte, war so nicht verabredet. Ich war drauf und dran, einen Krankenwagen zu rufen, da erinnerte ich mich an etwas, was er im Wagen gesagt hatte – über seinen Herzschlag, der so langsam sein würde, dass ich ihn nicht fühlen könnte. Ich drehte mich, kniete mich neben ihn, legte mein Ohr auf sein Herz und horchte. Zuerst war da gar nichts, aber ich verstärkte den Druck und dann schien es, als hörte ich ein ganz schwaches rhythmisches Schlagen. Ich seufzte vor Erleichterung und lehnte mich zurück.
Ich studierte sein schlafendes Gesicht, suchte dort nach einem Hinweis, was ich tun sollte. Ich sah ihn unter einer Decke zitternd auf einem Untersuchungstisch im Krankenhaus liegen und schloss die Augen, um den Kopf wieder freizubekommen. Ein Bild blitzte auf, das klar genug war, um zu erkennen, was er brauchte. Ich begann mich sofort auf die Suche nach Decken zu machen.
Widerwillig ging ich nach oben. Ich fühlte mich wie ein Eindringling, denn hierher hatte er mich noch nicht mitgenommen; doch ich schüttelte meine Vorbehalte ab und sagte mir, dass ich nur etwas holen würde, was er dringend brauchte. Weil ich nirgends einen Wäscheschrank sah, warf ich in sämtliche Zimmer einen kurzen Blick, um das Badezimmer zu finden.
Ich entdeckte ein Arbeitszimmer mit einem großen Sofa, mehrere Zimmer und
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