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Zeitenlos

Zeitenlos

Titel: Zeitenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelena Shorts
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Fragen und las gespannt weiter.
    15. November 1916
    Heute ist unser letzter Patient gestorben. Wir haben unser Bestes getan, ihn zu behandeln, doch leider konnte mein Serum dem jungen Mann nicht helfen. Wie bei den anderen Patienten schien das Alligatorblut die Krankheitssymptome vorübergehend zum Stillstand zu bringen, aber dann verschlechterte sich sein Zustand noch rapider als bei den übrigen. Offensichtlich verträgt sich das neue Serum noch weniger mit menschlichem Blut. Es hat den Anschein, als bildeten sich zur Abwehr des Alligatorbluts Klümpchen, die die Gefäße schnell anschwellen lassen und schließlich das Platzen der zum Herzen führenden Gefäße zur Folge haben. Dies war mein letzter Versuch, einem Menschen Alligatorblut zu übertragen. Ich werde mich in meiner Forschung wieder den üblichen Bluttransfusionen widmen.
    22. Dezember 1916
    Amelia hat mir heute einen Patienten gebracht, der an schweren inneren Blutungen litt. Ich habe sofort die Bluterkrankheit bei ihm diagnostiziert. Er brauchte dringend eine Bluttransfusion, um sein eigenes Blut zum Gerinnen zu bringen. Ich war so schnell nicht auf einen neuen Patienten vorbereitet, deshalb bot Amelia eine Blutspende an, sodass ich die Transfusion durchführen konnte. Es scheint ihm ein bisschen geholfen zu haben, aber ich befürchte, dass sein Zustand bereits zu weit fortgeschritten ist. Er wird etwas anderes brauchen, um zu überleben – ein Wunder etwa.
    23. Dezember 1916
    Amelia hat mit dem Patienten gesprochen. In den wenigen Momenten, in denen er bei Bewusstsein war, hat sie einen Teil seines Namens herausgefunden: Weston. Wir werden morgen nach seiner Familie suchen. Ich fürchte, es werden keine gute Neuigkeiten für sie sein.
    24. Dezember 1916
    Amelia hat Mrs Wilson geholt. Sie ist dankbar dafür, was wir bisher tun konnten, aber sie macht sich Sorgen, dass es kein gutes Ende nehmen wird. Ich habe den Patienten untersucht, er scheint Gehirnblutungen zu haben. Es ist nur noch eine Frage von Stunden.
    25. Dezember 1916
    Amelia möchte noch mehr Blut spenden, damit wir die Gerinnungsstörungen behandeln können, aber es wird nicht helfen. Mrs Wilson hat mich inständig gebeten, alles zu tun, was in meiner Macht steht, aber ich kann mich nicht dazu durchringen, ihm das Alligatorblut-Serum zu injizieren. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten, ob es der Patient aus eigener Kraft schafft.
    Ich hörte ein Geräusch aus dem Wohnzimmer und sprang auf. Als ich über die Galerie nach unten spähte, sah ich Weston auf dem Boden liegen. Ich sprintete die Treppe hinunter und kniete mich neben ihn. Er versteckte sein Gesicht unter der Decke.
    »Sophie«, murmelte er.
    »Ja«, erwiderte ich, obwohl das nicht wie eine Frage geklungen hatte.
    »Ich kann dich nicht sehen.«
    Ich versuchte die Decke wegzuziehen. »Das liegt daran, dass du die Decke …«
    »Nein. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich kann dich nicht sehen.«
    Ich riss die Decke weg und nahm sein Gesicht in meine Hände. Dann blickte ich ihn eindringlich an. »Schau mich an«, sagte ich. »Ich bin da. Du kannst dich konzentrieren, wenn du mich ansiehst«. Er öffnete die Augen. Sie waren faszinierend. »Siehst du«, sagte ich. »Du kannst mich sehen. Sieh mich an.« Sein Gesicht war verzerrt, die Augen wie Glas. Ich war so verblüfft, darin mein Spiegelbild zu sehen, dass ich unwillkürlich meine Wange an seine legte. Seine Haut war weich und kühl. Er zuckte nicht zurück.
    »Ich bin ja da. Ich bin da«, wiederholte ich. Er zögerte einen Moment und legte dann die Arme sehr viel liebevoller um mich als am Vorabend. Ich half ihm aufs Sofa. Seine Nähe gab mir eine Geborgenheit, von der ich gar nicht gewusst hatte, dass ich sie brauchte. Wange an Wange blieben wir einige Augenblicke liegen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber so wie er mich hielt, wusste ich, dass er sich genauso geborgen fühlte wie ich.
    Ich wollte mich aufrichten, aber er hielt mich fest. »Es ist okay«, sagte ich. »Ich will nur sehen, wie es dir geht.«
    »Nein. Bitte bleib genau so. Mir geht’s fast wieder gut, bitte.« Er klang beinahe verängstigt. Ich gab nach und blieb noch eine Weile bei ihm liegen.
    Irgendwann stützte er sich auf den Ellenbogen und tastete hektisch das Sofa nach etwas ab. »Wo ist meine Uhr?«, fragte er drängend.
    »Ich habe sie zu deinen anderen Sachen gelegt.«
    Er versuchte sich aufzusetzen. »Wo ist sie? Ich brauche sie.«
    Jetzt? »Wes, leg dich wieder hin! Es ist alles

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