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Zeitenlos

Zeitenlos

Titel: Zeitenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelena Shorts
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sonst niemals eingeladen.« Ich war kurz davor, die Nerven zu verlieren. Er blieb stehen und drehte sich zu mir um.
    »Nein, es ist schon okay. Keiner von uns hätte das wissen können. Es gibt da draußen Millionen Menschen, die Tom heißen. Außerdem«, redete er weiter und legte seine Hände um mein Gesicht, »bin ich daran gewöhnt, dass mir Leute über den Weg laufen, die ich schon einmal kannte. Sie denken dann, dass sie meinen Vater kannten.«
    »Grotesk.«
    »Ich weiß.« Er lächelte und beugte sich zu mir, um mich zu küssen. Seine Lippen waren kühler als sonst. Ihm wurde kalt. Ich schob seine Hände weg, damit wir zurücklaufen konnten, und tastete nach seinem Handgelenk. Er trug die Uhr, die ich ihm gekauft hatte, und ich musste lächeln.
    »Lass mal sehen«, sagte ich und zog seinen Ärmel zurück, um die Temperatur ablesen zu können. »Es sind 8,9 Grad hier draußen. Lass uns gehen.« Er lächelte und nahm meine Hand, als wir zum Haus zurückgingen.
    Meine Mutter und Tom waren in der Küche.
    »Das ging schnell«, sagte sie.
    »Es war kalt«, antwortete ich.
    Das Essen war so gut wie fertig, und ich half ihr, alles ins Esszimmer zu tragen. Tom wollte auch unbedingt helfen. Er folgte ihr wie ein Schoßhund.
    Mama hatte so eingedeckt, dass wir beide uns gegenübersaßen. Sie war noch nicht so weit, Tom den Platz am Kopfende der Tafel zu geben. Mir war das ganz recht, denn so saß ich näher bei Wes, und unter dem Tisch konnten sich unsere Beine berühren.
    Tom bot an, das Tischgebet zu sprechen, und dann tranchierte er den Truthahn, während wir die Beilagen herumgehen ließen. Als wir uns alle bedient hatten, begann Mama unverzüglich damit, Konversation zu machen.
    »Was studierst du eigentlich in Berkeley, Wes?«
    »Chemie«, erwiderte er leise und sah dabei nur sie an.
    »Chemie?«, unterbrach Tom. »Wie schön. Was hast du beruflich vor?«
    »Wahrscheinlich Medizin«, antwortete er mit einem kurzen Blick in Toms Richtung.
    »Sehr gut. Ich unterrichte dort an der medizinischen Fakultät«, merkte Tom an. »Und ich lege gerne ein gutes Wort für dich ein, wenn du das möchtest.«
    Wes lächelte freundlich. »Das wäre nett. Herzlichen Dank.«
    »Wenn du natürlich so intelligent bist wie dein Vater, brauchst du meine Empfehlung gar nicht«, fügte er hinzu.
    Ich hustete, und alle sahen mich besorgt an. »Alles in Ordnung. Ich hab mich nur verschluckt.« Ich trank eilig etwas.
    Kaum hatte sich Mama davon überzeugt, dass es mir gut ging, konzentrierte sie sich wieder auf Tom. »Du kanntest den Vater von Wes?«, fragte sie.
    Wir sahen ihn alle aufmerksam an, auch Wes.
    »Ja, kannte ich. Wir waren befreundet und haben zusammen in Berkeley studiert. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er ebenfalls Mediziner werden würde, aber stattdessen wurde er Pilot.« Abwartend sah er Wes an.
    Wes machte einen sehr ruhigen und beherrschten Eindruck. Das jahrelange Selbstbeherrschungstraining schien sich auszuzahlen. Er beschloss, das Spiel mitzumachen. »Sie kannten meinen Vater?«, fragte er.
    »Ja.« Tom nickte. »Er war ein toller Mann.«
    Meine Mutter fand die Unterhaltung faszinierend. Mir dagegen wurde fast übel.
    »Danke«, erwiderte Wes höflich.
    Beide widmeten sich wieder ihrem Essen, und für kurze Zeit war es ruhig.
    »Du siehst genauso aus wie er, weißt du das?«, stellte Tom fest. Ich zuckte zusammen.
    »Das sagen viele«, erwiderte Wes beiläufig.
    »Es ist schon ziemlich bemerkenswert. Mit einer anderen Frisur und einem anderen Akzent könntest du glatt für ihn durchgehen.«
    »Akzent?«, fragte ich.
    Tom sah mich an. »Ja, sein Vater hatte einen englischen Akzent. Die Mädchen waren verrückt danach.«
    »Tatsächlich?«
    Eine Mischung aus Neugier und Eifersucht machte mich deutlich munterer.
    »Ja, wirklich. Er hätte jedes Mädchen haben können, aber er zeigte nie Interesse.« Ich entspannte mich. »Ich glaube sogar, dass er Mädchen gar nicht so sehr mochte, zumindest nicht, bevor er seinen Abschluss in der Tasche hatte. Danach haute er ab und heiratete. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Seine Frau habe ich auch nie kennengelernt, aber ich vermute, dass es deine Mutter war.« Er machte eine Handbewegung in Wes’ Richtung, der sich auf sein Essen konzentrierte. Tom schien zu spüren, wie unbehaglich er sich fühlte. »Es hat mich sehr getroffen, als ich von seinem Tod erfuhr«, sagte er mitfühlend.
    Wes lächelte leicht. »Danke.«
    »Okay«, unterbrach ich, um die Aufmerksamkeit von Wes

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