Zeitenlos
geht.«
»Na toll, und genau das macht dich so unberechenbar«, wandte ich ein.
»Schön und gut«, entgegnete er. »Aber wieso irrational? Du hast mein Verhalten auch irrational genannt.«
»Du bist irrational, weil du glaubst, dass es mir ohne dich besser geht«, sagte ich ohne Umschweife.
»Aber du bist viel irrationaler als ich«, widersprach er.
»Nein, bin ich nicht.«
»Ach ja? Du weißt, dass ich nicht normal bin, um es mal vorsichtig auszudrücken; und gerade habe ich dir erzählt, dass du schon zweimal gestorben bist, und doch sitzt du immer noch hier. Glaub mir, du bist es.«
»Meinetwegen«, antwortete ich und dachte insgeheim, dass er recht haben könnte.
»Was denkst du jetzt eigentlich?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich bin nur froh, dass du wieder mit mir redest. Ich werde mich später kneifen und fragen, ob das alles wirklich passiert ist. Warum machst du dir überhaupt jetzt schon einen Kopf darüber? Ich bin erst achtzehn«, antwortete ich bewusst locker, um die Stimmung aufzuheitern.
»Weil ich nicht weiß, wie ich dich schützen kann.«
Schlagartig wurde die Stimmung wieder ernst. »Okay, dann sind wir schon zu zweit, denn ich weiß es auch nicht. Wie gut, dass wir noch ein ganzes Jahr lang nicht darüber nachdenken müssen«, fügte ich hinzu.
»Du musst nicht so cool tun.«
»Tu ich auch nicht. Wenn das, was du sagst, stimmt, werden wir zusammen eine Lösung finden.«
Dass er immer noch ruhig neben mir saß, wertete ich als gutes Zeichen. Irgendwann bot er an, mich nach Hause zu fahren, und weil ich ihn nach diesen Enthüllungen auf keinen Fall aus den Augen lassen wollte, nahm ich ganz schnell an. »Was machen wir mit deinem Wagen?«, fragte er.
»Vielleicht kannst du mich morgen abholen, und wir hängen einfach nur ein bisschen zusammen herum? Dann kann ich ihn später mitnehmen.« Ich klang erwartungsvoll.
Er schien die Idee sorgfältig abzuwägen und legte seinen Arm um mich, als wir zu seinem Auto gingen. Ich wertete das als Zustimmung.
Unterwegs hatte ich Zeit zum Nachdenken. Es gab da einige Dinge, die ich noch in Erfahrung bringen musste, damit auch nur eine seiner Erklärungen Sinn ergab. Erstens, was war die Ursache für diese Vorkommnisse? War es eine Art Reinkarnation? Zweitens, wenn es so war, wie funktionierte sie? Drittens, warum starb ich immer wieder so früh? Und viertens, wieso konnte ich mich an gar nichts erinnern?
Je länger ich grübelte, desto mehr gelangte ich zu der Überzeugung, dass alles gar nicht so schlimm war. Klar, Wes hatte mir gerade eröffnet, dass ich nicht einmal zwanzig Jahre alt werden würde, aber ich versuchte die positive Seite zu sehen, so wie mit dem Glas, das noch halb voll war. Wenn er das alles wusste, hieß das, dass wir zusammen gewesen waren. Er musste mich geliebt haben und ich ihn, denn wir hatten uns wiedergefunden. Wenn das wahr war, wurde uns allem Anschein nach mehr als nur eine Chance gegeben, zusammen zu sein. Wie viele Menschen konnten von sich behaupten, dass ihre erste Liebe mehr als eine Chance bekam? Und nicht nur ihre erste, sondern auch ihre einzige Liebe.
Wenn ich ihn doch nur davon überzeugen könnte, in dieser Sache nicht so schwarz zu sehen. Es gab nichts zu befürchten. Zusammen würden wir eine Lösung finden, und wenn uns das nicht gelang, dann würde sich die Geschichte eben wiederholen und ich würde irgendwann wiederkommen. Klar, oder? Ich musste ihn nur von meiner Einstellung überzeugen. Für mich klang sie gut. Auf der anderen Seite war ich aber auch nicht diejenige, die jedes Mal wieder meinen Tod miterleben musste. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich fair war, von ihm zu verlangen, einfach alles zu erdulden, was die Zukunft brachte, während ich wie viele Jahre auch immer würde warten müssen, bis ich ihn erneut fand. Wenn ich ihn überhaupt finden würde.
Vielleicht hatte er recht? War es womöglich besser, wenn ich ihn in Ruhe ließ? Damit er eine Liebe finden konnte, die länger hielt als das, was ich ihm geben konnte? Es lag in meiner Hand, ihn aus dieser Hölle zu befreien, wie er es nannte, doch ich hatte keine Ahnung, was ich wirklich wollte. Auf der einen Seite wünschte ich mir nichts mehr, als mit ihm zusammen zu sein, auf der anderen wollte ich nicht der Grund für seine Hölle auf Erden sein. Es gab nur zwei Möglichkeiten, und ich musste mich entscheiden.
Gegen acht kamen wir bei mir zu Hause an. Mamas Wagen stand auf der Auffahrt; die Wirklichkeit
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