Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
können wir sie auch nicht der Königin zurückgeben!«
»Irrtum«, sagte José gelassen.
»Wieso Irrtum?«
»Ich erklär’s dir gleich nach dem Sprung. Oder vielmehr – ich zeige es dir. Wir stehen schon viel zu lange hier herum.« Ungeduldig deutete er auf den Felsen. »Wollen wir?«
Ich schluckte. Es war so weit. Ich konnte zu Sebastiano zurück.
Tief durchatmend trat ich an Josés Seite, während er die Hand auf den Felsen legte und das Portal öffnete. Ein flimmernder Ring aus weißem Licht bildete sich und umschloss uns. Das Vibrieren kam schnell, und gleich darauf auch die Kälte. Ich schloss die Augen und hielt mir die Ohren zu, doch der Knall war genauso dröhnend wie immer, er zerriss die Zeit und schleuderte mich durch die Jahrhunderte. Alles um mich herum wurde schwarz.
Tag acht
D
as Kopfweh war diesmal erträglich, denn in weiser Voraussicht hatte ich vor dem Sprung noch eine Schmerztablette genommen. Als ich zu mir kam, lag ich neben dem Felsen und sah José über mir stehen. Wie beim letzten Mal, als ich hier gelandet war, graute bereits der Morgen. Immerhin würden wir nicht durch die Nacht stapfen müssen. Und auch nicht durch den Regen, denn es war trocken, abgesehen von ein paar Tautropfen, die aus den Ästen auf mich fielen.
Ich wischte sie ab, rappelte mich hoch und klopfte meinen Umhang ab. »Was ist heute für ein Tag? Ich meine, wann hat Gaston mich von der Brücke geworfen?«
»Vorgestern Nacht.«
Wieder einmal fragte ich mich, warum es nicht einfach möglich war, ein paar Tage früher anzukommen, um die ganzen unerfreulichen Wendungen zu verhindern, bevor sie eintreten konnten. Zu gerne hätte ich mein früheres Ich vor Gaston gewarnt. Und bei nächstbester Gelegenheit dafür gesorgt, dass ihm seine Pastetchen im Hals stecken blieben.
Doch so funktionierte es leider nicht. Eine Begegnung mit einem selbst ließ das System nicht zu, denn das wäre ein Paradoxon. Was es mit diesen Paradoxa auf sich hatte, durchschaute ich nicht mal annähernd, aber ich war entschlossen, daran zu arbeiten, auch wenn ich mir geschworen hatte, nach dem Abi nie wieder irgendwas mit Physik zu tun zu haben.
»Du wolltest mir noch was zeigen«, sagte ich zu José.
Er griff in die Tasche seiner Jacke und holte eine kleine Schatulle hervor. Mit der Andeutung eines Lächelns klappte er sie auf.
Ich keuchte überrascht auf, als ich das funkelnde Collier sah. »Du hast es Gaston weggenommen!«
»Nein, es ist ein Duplikat.«
»Eine Fälschung?«
»Nein, es ist selbstverständlich echt. Ein identisch aussehendes, zweites Collier. Von dem Juwelier, der auch das erste angefertigt hat. Und zwar gleichzeitig mit diesem.«
»Deswegen warst du im Jahr sechzehnhundertzwanzig! Du hast es da machen lassen, damit wir es heute mitnehmen können!«
Er nickte. »Ich war noch aus einem weiteren Grund dort. Ich war schwer verletzt und musste mich auskurieren. So konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«
»Wie lange warst du denn da?«
»Drei Monate.«
Ich war entsetzt. Drei Monate! Während für mich seit unserem Anruf subjektiv nur eine Woche verstrichen war, hatte er ein Vierteljahr in der Vergangenheit zugebracht!
»Was ist denn passiert?«
»Es gab einen Kampf«, sagte er knapp.
»Mit einem der Alten?« Mein Entsetzen wuchs. »Etwa mit Jacopo? Ist er wieder aufgetaucht?«
»Nein, es war ein anderer.«
Damit sprach er ein Kapitel an, das für meinen Geschmack zu viele unbekannte Seiten hatte. Über dieses Thema redete José so gut wie nie, und Esperanza erst recht nicht. Es gab ganz offensichtlich mehrere Alte, aber Sebastiano und ich hatten bisher nicht herausgefunden, wie viele es insgesamt waren oder wo sie steckten. Eines wussten wir jedoch mittlerweile – sie waren keineswegs alle befreundet. Im Gegenteil, manche schienen echten Stress miteinander zu haben. So wie einst die Götter im Olymp, die hatten auch ständig irgendwelche Fehden laufen.
Die Alten sahen in ihre Spiegel, betrachteten die vergangenen und künftigen Ereignisse, wogen die Realitäten und Wahrscheinlichkeiten ab und legten danach fest, was auf die Tagesordnung kam. Und dabei schienen sie im Management nicht immer einer Meinung zu sein.
Schweigend machten wir uns auf den Weg. José ging voraus. Ich folgte ihm – und blieb abrupt stehen. Von irgendwoher waren Fechtgeräusche zu hören: der helle Klang gegeneinanderschlagender Klingen, das Keuchen und Stöhnen der kämpfenden Kontrahenten.
»Duellanten«, sagte José
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