Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
dem davonbrausenden Taxi hinterher und fragte mich, ob wir nicht besser noch ein paar Stunden gewartet hätten. Dann wäre hier draußen sicher nicht mehr so viel los gewesen.
»Tu es très jolie.« Der Typ trat auf mich zu und streckte die Hand nach mir aus. José beachtete er überhaupt nicht. Was sich gleich darauf als Fehler herausstellte, denn noch bevor ich überlegen konnte, ob Selbstverteidigungsmaßnahmen angebracht waren, fasste José mit einer beiläufigen Bewegung in den Nacken des Mannes. Der ließ daraufhin die Hand sinken und sah uns mit glasigen Augen an. »Excusez-moi«, murmelte er. Dann drehte er sich um und trottete mit eigenartig schlaffen Bewegungen davon.
»Das war ziemlich gruselig«, befand ich. »Was war das denn für eine Mister-Spock-Nummer?«
»Beim Spock-Griff werden die Leute bewusstlos«, sagte José, der sich offenbar prima mit der Enterprise und den Vulkaniern auskannte.
»Ja, schon klar. Du weißt, was ich meine. War das eben so was Ähnliches wie damals bei mir, als ich noch klein war und Esperanza diese Sache mit meinem Nacken gemacht hat? Wovon ich dann später dieses Jucken bekommen habe?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Aber es war eine mentale Manipulation, das habe ich genau gesehen«, beharrte ich. »Wie macht ihr solche Sachen, du und Esperanza? Kann man so was lernen? Oder ist es irgendwie … außerirdisch?«
»Du meinst, so wie bei den Vulkaniern?«, fragte er zurück.
»Ja, genau.«
»Nein.« Ich wartete auf weitere Ausführungen, aber es kamen keine. Er schlug sich mit der Reisetasche in die Büsche, und ich folgte ihm notgedrungen. Obwohl er nur ein Auge hatte und schon uralt war, schien er das Sehvermögen einer Katze zu haben, denn er stolperte kein einziges Mal.
»Eins würde ich gern noch wissen«, sagte ich, während ich hinter ihm her tapste und dabei ständig zurückschnellende Zweige ins Gesicht kriegte. »Wieso bin ich eigentlich mit der Maske auf der Brücke gelandet statt hier im Wald wie schon mal?«
»Weil du es wolltest. Die Maske bringt den Zeitreisenden an das gewünschte Ziel.«
Ich dachte kurz nach. Als ich im Wald gelandet war, hatte ich unbedingt zu Sebastiano gewollt – die Maske hatte mich zu ihm gebracht, nachdem er selbst da herausgekommen war, weil ihm der Weg in die Zukunft wegen der unerledigten Aufgabe versperrt war. Das Tor im Wald war vermutlich die für ihn ungefährlichste Austrittsmöglichkeit gewesen. Und ich selbst war heute Morgen auf der Brücke gelandet, weil ich mir kurz vor dem endgültigen Eintritt ins Nirwana vorgestellt hatte, dort oben zu stehen. Damit blieb allerdings noch die Frage ungeklärt, warum ich diesmal in der Gegenwart landen konnte, obwohl ich meine Aufgabe in der Vergangenheit noch nicht erfüllt hatte. Galten bei der Benutzung der Maske vielleicht gar nicht dieselben Gesetzmäßigkeiten wie bei den üblichen Zeitfenstern?
Ich nahm mir vor, das – und ein paar andere Ungereimtheiten – noch zu klären, aber eine andere Frage war wichtiger.
»Du wolltest mir noch erzählen, wo du die ganze Zeit warst und wieso Sebastiano diesen Einsatz bekommen hat.«
»Ich war im Jahr sechzehnhundertzwanzig.«
»Hast du gerade sechzehnhundert zwanzig gesagt? Noch mal fünf Jahre früher? Was hast du denn da gemacht?«
Im nächsten Moment fiel ich über eine Baumwurzel.
»Es ist zu dunkel hier«, beschwerte ich mich. »Ich kann nichts sehen.«
Er holte eine Taschenlampe hervor und gab sie mir. »Hier. Die wirst du sowieso brauchen. Du musst dich noch umziehen.« Er zog eine Art Kleidersack aus der Reisetasche und reichte ihn mir. »Da ist alles drin. Beeil dich. Ich warte da drüben.« Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf einen Felsen, den ich sofort wiedererkannte. Geformt wie eine bizarre, gigantische Faust ragte er im Schein der Taschenlampe vor uns aus dem Boden – das Tor, durch das wir gleich in die Vergangenheit gehen würden.
Ich zog mich rasch hinter einem Baum um. Bei der Auswahl der Kleidung hatte José eine sichere Hand bewiesen, er hatte wirklich an alles gedacht: Unterkleid, Baumwollüberwurf, Strümpfe, ein Umhang mit Kapuze – sogar an bequeme Schuhe, die auch noch perfekt passten und natürlich genau wie der Rest zeitreisegeeignet waren.
Ich war fertig mit Umziehen und trat hinter dem Baum hervor. José war ebenfalls bereits historisch gekleidet. Meine eigenen Sachen samt Handtasche, iPhone und sonstigem Kram hatte ich praktischerweise in den leeren Sack gestopft. Nichts davon konnte
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