Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
neugierig nach allen Seiten um, doch ich konnte nichts Auffälliges entdecken. Nur in der Mitte der Brücke meinte ich, einen kurzen Schauer zu spüren, aber das konnte auch Einbildung sein.
Cécile schlief immer noch, als wir in der Rue Percée ankamen. Es dauerte eine Weile, bis wir sie aus dem Bett getrommelt hatten, und ihre Laune war entsprechend muffelig. Gleich darauf zeigte sie sich jedoch deutlich entgegenkommender, denn Philippe überreichte ihr eine Handvoll Silbermünzen. Die hatte Gaston herausrücken müssen, damit meine Unterkunft für die nächsten Tage gesichert war. Dass ich inzwischen selbst Geld besaß, hatte ich nicht verraten, denn Gaston schien reichlich Bares zu besitzen. Allein seine Strumpfhosen mussten ein Vermögen gekostet haben, deshalb sah ich nicht ein, meine eigenen Bestände anzuzapfen. Aus leidvoller Erfahrung wusste ich, wie wichtig ein paar eiserne Reserven waren, wenn man in der Vergangenheit festhing. Im Ernstfall kam es da auf jeden Cent an. Beziehungsweise auf jeden Denier, das war das hiesige Äquivalent.
Auf dem Weg zu Cécile hatte Philippe mir die in Umlauf befindlichen Münzen erklärt. Zwölf Deniers ergaben einen Sol und zwanzig Sols eine Livre, wobei die Livre keine Münze war, sondern nur eine Recheneinheit auf Silberbasis, mit entsprechend vielen Deniers oder Sols. Dann gab es noch ein Goldstück namens Écu, das am meisten wert war, nämlich mehrere Dutzend Livres. Wie viele genau, wusste Philippe allerdings nicht, weil er noch nie Gold besessen hatte. Daneben konnte man auch mit ausländischen Goldstücken bezahlen, Hauptsache, sie waren echt.
Philippe erläuterte mir auch die Kaufkraft, also beispielsweise den Preis für ein Mittagessen, ein Paar Schuhe oder die Monatsmiete für ein Zimmer. Mit dem, was ich besaß, würde ich lange auskommen. Ich brauchte ja nicht viel. Schlafen konnte ich bei Cécile, inklusive Schlummertrunk und Nachtmahl, wie sie mir großzügig versprach. Kleidung hatte ich dank Esperanza ebenfalls genug. Und Essen und Trinken würde ich an meinem Arbeitsplatz erhalten, den Gaston mir in der Zwischenzeit besorgen wollte. Ich sollte – und das war Gastons »geniale Idee« – einen Job als Servierkraft in einem Lokal namens Goldener Hahn antreten, wo Sebastiano mit seinen Musketierkumpels regelmäßig seine Mahlzeiten einnahm. Auf diese Weise konnte ich ihn wiedersehen und so tun, als wäre es rein zufällig.
»Ich kenne den Wirt persönlich«, hatte Gaston erklärt. »Fähiger Gastronom. Aus seiner Küche kommen diese leckeren kleinen Pasteten. Es gibt da übrigens auch eine hervorragende Bouillabaisse. Musst du unbedingt probieren.«
Nach Essen stand mir immer noch nicht der Sinn, aber als Cécile mir ein Stück von ihrem trockenen Vortagsbrot anbot, sagte ich nicht Nein. Inzwischen war es hart wie Zwieback, doch es beruhigte den Magen. Philippe hatte Wasser vom Brunnen geholt und sich anschließend aufgemacht, um mir eine Matratze zu besorgen, während ich mich wusch und umzog. Cécile hatte mir einen Tiegel Wundsalbe für meine Schürfwunden gegeben und es sich wieder auf ihrem Bett bequem gemacht – mit Papier und Schreibfeder. Sie machte sich Notizen zu ihrem neuen Theaterstück, für das sie sich gerade die Handlung ausdachte.
»Die Komödie, von der du mir erzählt hast – Coq au vin –, hat mich sehr inspiriert. Ich baue meine Geschichte auf dieser Idee auf. Das wird ein wunderbares Stück! Ich werde dir regelmäßig von meinen Fortschritten berichten.«
Viel lieber hätte ich mehr über ihre schreckliche Ehe mit dem parfümierten Baptiste erfahren, allerdings traute ich mich nicht, sie danach zu fragen, das fand ich dann doch zu indiskret. Im Augenblick wirkte sie jedenfalls nicht allzu unglücklich, sondern eher zufrieden. Teilweise lag das sicher am Geld und an ihren tollen Ideen für ihr neues Stück, aber bestimmt auch an dem Wein, von dem sie reichlich tankte. Sie hatte zwar einen guten Schuss Wasser dazugetan, doch bei den Mengen, die sie trank, war das schon ein ordentlicher Frühschoppen.
Sie schaute zu, als ich frische Sachen aus Esperanzas Sack anzog – ein sauberes weißes Unterkleid und ein Obergewand aus blauer Baumwolle. Nichts Spektakuläres, aber alles genau in meiner Größe. Abgerundet wurde das Outfit durch weiche Lederschuhe, die sich passgenau schnüren ließen und super bequem waren. Esperanza hatte mir noch zwei andere Kombinationen aus Unter-und Oberkleid mitgegeben, ebenso ein zweites Paar Schuhe,
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