Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
fallen lassen. Ihr könnt es mir vom Lohn abziehen.«
»Ich hab’s mitgekriegt«, brummte er. »Sie ist aber nicht vom Runterfallen zerbrochen, sondern unter dem Stiefel des jungen Foscaire.«
»Ihr kennt ihn?«, fragte ich mit klopfendem Herzen.
»Aber ja. Er ist einer von denen, die täglich hier essen. Wohnt in der Rue Saint-Martin und gehört zur Leibgarde des Kardinals.«
»Kommt er schon lange her?«
Monsieur Mirabeau runzelte die Stirn. »Erst ein paar Monate, glaube ich.«
In mir keimte zaghafte Hoffnung auf. Diese Auskunft ließ darauf schließen, dass Sebastiano nicht wie einer der Unwissenden endgültig von der Zukunft in die Vergangenheit versetzt worden war, sondern nur unter einer vorübergehenden Amnesie litt.
»Er stammt aus der Gascogne, da kommen die meisten tüchtigen Gardisten her.«
Und schon sank mir das Herz wieder. Es konnte doch eine vollständige Verpflanzung sein. Mit allem, was dazugehörte – Freunde, Bekannte, Verwandte. Nur eben nicht hier in Paris, sondern in der Gascogne, wo immer das war. Ob er da etwa auch Familie hatte? Bei dem Gedanken wurde mir eiskalt.
»Einziger Sohn, hat früh die Eltern verloren«, erzählte Monsieur Mirabeau weiter.
Ich atmete vorsichtig aus. Keine Familie.
»Und sein Zuhause auch«, fuhr Monsieur Mirabeau fort. »Alles bei einem Brand verwüstet, als er selbst gerade auf Reisen war. Der Rest des väterlichen Erbes reichte gerade noch, um sich einen Platz bei der Garde zu kaufen. Tapferer, strebsamer Bursche, dieser Foscaire. Hat sich nicht unterkriegen lassen, trotz des harten Schicksals. Er wird es noch weit bringen.«
»Wein ist fertig!«, schrie die Magd am Ausschank.
»Auf, Mädchen«, befahl Monsieur Mirabeau. »Fürs Herumstehen bezahle ich dich nicht!« Aber es klang nicht halb so unfreundlich wie seine erste Schimpftirade.
Ich musste heftig schlucken, denn was er über Sebastiano erzählt hatte, ging mir furchtbar nahe, obwohl es sich in Wahrheit überhaupt nicht so abgespielt hatte. Auch wenn seine Erinnerungen nicht real waren – sie wurden ihm ja einfach nur von einer höheren Macht vorgegaukelt –, fühlten sie sich für ihn bestimmt genauso schmerzlich an. Das Herz floss mir über vor Mitleid, während ich die Getränke an den Tisch brachte und reihum servierte. Als ich mich vorbeugte, um auch dem letzten Gardisten seinen Becher Wein vorzusetzen, fasste mir Jacques, der neben Sebastiano saß, an den Hintern.
»Du hattest unrecht, Sébastien«, sagte er anzüglich grinsend. »Unter diesem Ungetüm von Schürze steckt kein mageres kleines Ding. Bei ihr ist alles am richtigen Platz.«
»Bei Euch nicht, Monsieur.« Ich schüttete ihm den Wein aus seinem Becher ins Gesicht. »Aber jetzt.«
Diese spontane Aktion rief grölendes Gelächter am Tisch hervor, und Jacques selbst lachte womöglich am lautesten. Prustend rieb er sich mit dem Ärmel das Gesicht ab. Zum Glück war es Weißwein, die Flecken aus seinem Hemd würden sich leicht rauswaschen lassen.
»Teufel auch, Mädchen! Du hast Temperament!« In seine Augen war ein interessiertes kleines Funkeln getreten. Ich hatte keine Schwierigkeiten, seinen Blick richtig zu deuten, und als er weitersprach, verflogen auch die letzten Zweifel: Der Typ stand auf mich.
»Willst du dich nicht ein wenig zu uns setzen?«
»Ich habe leider zu tun, Monsieur.«
»Und was ist mit später? Wann hast du Feierabend?«
»Das weiß ich nicht genau. Heute ist mein erster Tag hier.«
»Komm doch nach der Vesper zum Luxembourg, da treffen wir uns abends immer.«
Ich hatte keine Ahnung, wo das war, aber diese Chance, Sebastiano heute noch wiederzusehen, würde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen, und wenn es dafür nötig war, Monsieur Mirabeau den Job vorzeitig vor die Füße zu werfen.
»Mal sehen«, entgegnete ich hoheitsvoll.
»Oho, die Kleine ziert sich«, rief Jules vergnügt. »Was sagt man dazu!«
»Sie ist doch bloß eine schmutzige kleine Serviermagd«, sagte eines der beiden Mädchen schmollend. »Du kannst nicht ernsthaft wollen, dass sie zu unserem Treffen kommt, Jacques.«
»Bei mir ist aller Schmutz nur äußerlich«, gab ich mit absichtlicher Betonung zurück. Am liebsten hätte ich der Zicke auch eine Ladung Wein ins Gesicht geschüttet. Ich hasste sie wie die Pest, denn sie saß Sebastiano gegenüber und drückte ständig ihre Knie gegen seine, ganz zu schweigen von dem schmachtenden Augenaufschlag, mit dem sie ihn dauernd anhimmelte. Da, jetzt auch wieder! Und das war
Weitere Kostenlose Bücher