Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
Ankleidespiegel in einer traumhaften Kreation aus rosa-weiß gestreiftem Crêpe de Chine bewunderte – manchmal stimmte der Spruch Kleider machen Leute wirklich! –, deutete Marie auf den Lederbeutel, den ich immer noch um den Hals trug. »Was ist das?«
»Ach«, sagte ich ausweichend. »Bloß ein kleiner Notgroschen für schlechte Zeiten.« Die Maske erwähnte ich vorsorglich gar nicht erst.
»Dein Geld musst du bei mir nicht antasten, Anna. Du bekommst von mir alles, was du brauchst. Und noch mehr.« Maries hübsches Gesicht hatte einen entschiedenen Ausdruck angenommen, und die dunklen Korkenzieherlocken wippten energisch, als sie weitere Sachen anschleppte. Schuhe, seidene Strümpfe, Bänder und Schleifen, hauchdünne Unterkleider, bestickte Mieder – ich wusste gar nicht, was ich zuerst anprobieren sollte. Die Sachen sahen aus, als stammten sie geradewegs aus einem sehr aufwendig gedrehten Kostümfilm. Vor allem die perlenbesetzten Schuhe. Sie waren eine Winzigkeit zu groß, aber Marie schnitt einfach ein Stück Samt aus einem Schal und polsterte sie damit aus, sodass sie perfekt passten.
Für den Abend wurde in der Schneiderei ein Kleid für mich gekürzt – es war der rosa-weiße Traum –, und nachdem ich es angezogen hatte, machte Maries Kammerzofe Minette mir in Maries Schlafgemach die Haare. Marie, die schon fertig frisiert war, hatte es sich auf einem Sessel bequem gemacht und sah zu. Minette war eine mollige, fröhliche Frau um die dreißig und laut Marie die beste Coiffeurin von Paris, womöglich sogar noch besser als die der Königin. Als ich das hörte, nutzte ich sofort die Gelegenheit, um mehr über Maries Verhältnis zur Königin herauszufinden.
»Cécile erwähnte, dass die Königin mit dir befreundet ist«, sagte ich, während Minette mir mit einem heißen Lockeneisen kunstvolle kleine Kringel ins Haar drehte.
»O ja, sie ist meine beste Freundin! Wir beide sind unzertrennlich.«
»Stimmt es, dass die Königin nicht besonders gut auf den Kardinal zu sprechen ist?«
»In der Tat, zwischen den beiden herrscht Zwietracht. Er mochte sie noch nie, von Anfang an nicht.« Marie kicherte unvermittelt. »Die Königin heißt übrigens fast genau wie du – Anne. Und sie ist wunderschön. Tatsächlich siehst du ihr sogar ein bisschen ähnlich. Obwohl sie natürlich ein paar Jahre älter ist, nämlich vierundzwanzig, also fast genauso alt wie ich.«
»Und warum kann der Kardinal sie nicht leiden?«
Marie legte mit einem bedeutungsvollen Blick auf Minette den Finger auf die Lippen. Sie wartete, bis die Zofe ihr Kunstwerk für vollendet erklärt und den Raum verlassen hatte, dann meinte sie mit gedämpfter Stimme: »Vor den Bediensteten sollten wir nicht über Geheimnisse reden, weißt du.«
»Hat die Königin denn eins?«
Marie nickte. »Leider darf ich es dir nicht verraten, denn sonst wäre es kein Geheimnis mehr.«
»Du musst es mir ja auch nicht sagen«, meinte ich großmütig, obwohl ich darauf brannte, es rauszukriegen.
»Vor allem Richelieu darf es niemals erfahren«, erklärte Marie. »Sonst könnte die Königin in tödliche Gefahr geraten.«
Jetzt war ich erst recht neugierig und überlegte angestrengt, wie ich mehr Informationen aus Marie herauskitzeln konnte. Doch sie sprang auf und erklärte, nun wolle sie mir endlich das Haus zeigen. Also sah ich mir brav die vielen Zimmer und Gänge auf insgesamt vier Etagen an und versuchte mir wenigstens ungefähr zu merken, wo sich welche Räumlichkeiten befanden.
Dann ging es auch schon los mit der Party. Nach und nach trafen die Gäste ein und verteilten sich grüppchenweise in dem großen Salon. Diener servierten reihum die Getränke. Zahlreiche Kerzen erhellten den Raum, und besagtes Streichquartett sorgte für eine unaufdringliche musikalische Untermalung.
Alles lief so ähnlich ab wie am vorangegangenen Abend bei der Marquise, auch wenn es ein paar Unterschiede gab: Während sich bei der Marquise hauptsächlich Intellektuelle aller Altersstufen versammelt hatten, war auf Maries Party ausschließlich gelacktes Jungvolk aufgelaufen, lauter teuer gekleidete Frauen und Männer zwischen zwanzig und dreißig, die nicht nur wie Snobs aussahen, sondern sich auch so benahmen. Ihnen ging es nur darum, zu sehen und gesehen zu werden und dabei ihren Spaß zu haben.
Marie drückte mir ein Glas Wein in die Hand, dann schleppte sie mich von einer Gruppe zur anderen und stellte mich als ihre Gesellschafterin vor. Der eine oder andere blasierte
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