Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
durch die endlose Ruinenlandschaft. Benommen machte ich mir klar, was geschehen war: Ich war in dem Horrorszenario aus Esperanzas Spiegel gelandet, einer alternativen Zukunft voller Krieg, Tod und Zerstörung. Das also würde aus Paris werden, wenn im Jahr 1625 niemand von den Zeitwächtern eingriff und es verhinderte – womit auch immer.
Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, begannen die Schüsse. Es knallte und krachte um mich herum. Heulend fuhren die Geschosse dicht vor mir in den Boden und ließen Fontänen aus Staub und Trümmerstücken auf mich regnen. Bruchstücke von Ziegeln und Schutt sausten mir um die Ohren. Ich hatte mich dicht an eine Hauswand gekniet und mir die Arme um den Kopf gelegt, um mich vor den herumsausenden Fragmenten zu schützen. Endlich verstummten die Schüsse, und stattdessen hörte ich Männerstimmen.
»Die Frau versteckt sich hier irgendwo, darauf verwette ich meinen letzten Sold!«
»Wann hast du denn das letzte Mal Sold gekriegt? Das ist doch Jahre her. Außerdem war es nur eine Katze, die da geschrien hat.«
»Halt lieber die Klappe und pass auf, sonst laufen wir nur wieder in den nächsten Hinterhalt. Diese Widerstandsnester sind überall.«
»Hier ist keine Menschenseele mehr. Die letzten haben wir gestern erwischt. Schau, sie liegen immer noch da.«
»Ich sagte, du sollst die Klappe halten. Man hört sonst überhaupt nichts mehr. Hier ist jemand. Ich habe vorhin eine Bewegung gesehen, und es sah nicht nach einer Katze aus.«
Die Stimmen kamen immer näher. Unwillkürlich drückte ich mich dichter an die Mauer. Unter meinem Fuß rutschte ein Stein weg. Das Geräusch war nicht zu überhören.
»Da war was! Hinter der Wand da!«
Schritte kamen näher, der Abzug einer Waffe wurde entsichert, ich kannte das Geräusch aus unzähligen Filmen. Und dann krachten die Schüsse. Sie durchschlugen das Mauerwerk neben mir und erfüllten die Luft mit einer Wolke aus Gesteinssplittern. Ich warf mich flach auf den Boden.
»Du machst dich lächerlich. Und alles nur wegen einer Katze.«
»Wenn, dann eine tote Katze. Ich hasse die Biester.«
DIE KATZE … Es gab einen Ausweg!
Ich musste die Katzenmaske nicht aufsetzen, es reichte, dass ich sie bei mir hatte. In dem Beutel, der immer noch um meinen Hals hing. Mit fest geschlossenen Augen krampfte ich beide Hände darum. Unter dem weichen Leder fühlte ich die Umrisse der Münzen und das knisternde, an den Rändern versteifte Material der Maske.
»Bring mich zu Sebastiano«, sagte ich laut. »Jetzt!«
»Von wegen Katze!«, brüllte der Söldner.
Aus meinem Brustbeutel drang ein flimmerndes Glühen. Eine Salve aus der Maschinenpistole durchsiebte die Wand über meinem Kopf, Mörtelstaub breitete sich aus und brachte mich zum Husten. Während die staubige Wolke sich mit dem blendenden Licht aus dem Beutel vollsog und immer heller wurde, hörte ich die Männer fluchen. Weitere Schüsse krachten, alles um mich herum begann zu erzittern, das Flimmern wurde zu einem Gleißen, und dann explodierte die Welt in einem ohrenbetäubenden Knall.
Tag fünf
S
chon bevor ich die Augen aufschlug, hörte ich ein Stöhnen – und wusste sofort, dass es von Sebastiano stammte. Ich war wieder bei ihm. Mir entwich ein tiefer, erleichterter Seufzer. Gleichgültig, wo ich diesmal gelandet war – Hauptsache, wir beide waren zusammen.
Doch gleich darauf war es mir nicht mehr ganz so egal, wo wir steckten, denn kalte Tropfen prasselten von oben auf mein Gesicht. Erschrocken fuhr ich hoch – und bereute die schnelle Bewegung sofort. Die altbekannten Kopfschmerzen hämmerten in meinen Schläfen. Dieser Zeitsprung war mir nicht besonders gut bekommen.
Hastig rieb ich mir das Wasser aus den Augen. Als ich Sebastiano neben mir liegen sah, vergaß ich das Kopfweh auf der Stelle. Er hatte die Augen auf und sah mich an.
»Gott sei Dank!«, rief ich inbrünstig. »Es geht dir gut!«
»Da bin ich eindeutig anderer Ansicht.« Er hob die Hand und rieb sich stöhnend den Hinterkopf, an der Stelle, wo ihn Gastons Knüppel getroffen hatte. »Verdammt, brummt mir der Schädel. Wo zum Teufel sind wir hier?«
Das war eine gute Frage. Ich blickte mich um. Zu allen Seiten ragten hohe, dunkle Bäume auf. Um uns herum rauschte Regen nieder und verwandelte den Boden in Matsch. Meine Kleidung klebte pitschnass am Körper und fühlte sich kalt an. Neblige, regenfeuchte Dämmerung umgab uns, es war schätzungsweise früher Morgen.
Rasch reimte ich mir zusammen,
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