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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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mir hielt. Ich schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn. Er zögerte kurz, aber wirklich nur für einen Sekundenbruchteil, dann umarmte er mich so fest, dass ich kaum noch Luft kriegte. Es kam mir so vor, als hätte seine Beherrschung die ganze Zeit an einem seidenen Faden gehangen, der jetzt gerissen war. Sofort schwebte ich in höheren Sphären, mein Körper wurde auf einmal seltsam schwerelos, mir war trotz der Nachtkälte heiß, in meinen Ohren summte es – dieser Kuss hatte es wirklich in sich. Sebastiano schien ähnlich zu empfinden, denn er hielt mich noch fester.
    Ich war hin und weg und konnte nur noch am Rande meines Bewusstseins daran denken, dass gleich das Portal aufgehen und uns in die Zukunft schleudern würde. Doch logischerweise musste vorher noch etwas schiefgehen, es wäre ja sonst auch zu schön gewesen. Hinter Sebastiano knarrte es, anscheinend war eine der Brückenbohlen locker. Blitzartig ließ Sebastiano mich los und fuhr herum.
    »Was zum …«
    Mehr konnte er nicht sagen. Ein dumpfer Schlag auf den Kopf brachte ihn zum Schweigen. Ich schrie auf. Sebastiano taumelte und brach zusammen. Gaston stand mit einem Knüppel hinter ihm.
    »Tut mir leid«, sagte er.
    Sebastiano ächzte schmerzerfüllt und drehte sich auf die Seite. Voller Angst um ihn kniete ich mich neben ihn und hob vorsichtig seinen Kopf auf meine Knie. »Tut es sehr weh?« Immer noch schockiert starrte ich Gaston an. »Warum hast du das getan?«
    Er zuckte nur bedauernd die Achseln. »Na ja, dieser lange, scharfe Degen da … Sicher ist sicher.«
    Sebastiano versuchte stöhnend, sich hochzustemmen, verhedderte sich dabei aber in dem Umhang.
    »Schnell«, sagte Gaston zu der schemenhaften Gestalt, die hinter ihm wartete. Das musste der Alte sein – der Clochard aus der Zukunft. Außer einem breitrandigen, tief ins Gesicht gezogenen Hut und einem weiten Umhang war nichts von ihm zu sehen. Er streckte die Hand aus und berührte das Geländer, und dort, wo er das Holz anfasste, fing es an zu glühen. Goldene Strahlen breiteten sich nach allen Seiten aus, sie zerteilten die Dunkelheit und verbanden sich gleichzeitig miteinander. Die ganze Brücke begann von innen heraus zu leuchten, alles war wie aus purem Gold – ein gleißender Bogen, der aus der Vergangenheit in die Zukunft reichte.
    »Was ist das?«, rief Sebastiano. Seine Stimme klang entsetzt. Die Umgebung begann zu vibrieren, und schon kam die eisige Kälte und drang in mein Inneres vor. Ich duckte mich tief über Sebastiano und schlang fest beide Arme um ihn.
    »Hab keine Angst, alles wird gut!«, flüsterte ich ihm zu, obwohl ich in diesem Augenblick des Übertritts selber vor Furcht kaum atmen konnte. Dann kam der Blitz, und mit ihm der Knall, der alles um mich herum auslöschte und mich in ein pechschwarzes Nichts schleuderte.

    Als ich zu mir kam, wusste ich sofort, dass es nicht geklappt hatte. Ich lag der Länge nach inmitten von scharfkantigem Geröll.
    »Sebastiano?«, fragte ich ängstlich.
    Keine Antwort, nicht mal ein Stöhnen. Panisch rappelte ich mich hoch, und als ich sah, wo ich gelandet war, stieß ich einen erstickten Schrei aus. Es war nicht dunkel, jedoch auch nicht richtig hell. Mattes Zwielicht umgab mich. Ich befand mich in einer Trümmerlandschaft. Eine Mischung aus Staub und Rauch lag über den geborstenen Mauern unzähliger zerstörter Häuser. Im Hintergrund ragte ein verkohlter Kirchturm auf. Davor lag ein länglicher, dunkler Umriss auf dem zerschmetterten Pflaster, aber erst, als der Wind ein paar Rauchschwaden zur Seite wehte, konnte ich sehen, dass es sich um einen Toten handelte. Er trug eine Soutane, es war ein Priester. Mit einem erstickten Aufschrei setzte ich mich in Bewegung und sah mich verzweifelt um.
    »Sebastiano!«, rief ich. »Sebastiano!« Immer wieder schrie ich seinen Namen, doch ich fand überall nur gespenstische, menschenleere Ruinen. Große, gezackte Löcher klafften in den Wänden der zerstörten Häuser, von denen fast nur noch Trümmerhügel übrig geblieben waren. Dazwischen fanden sich Überreste eines friedlicheren Lebens – zerfledderte Bücher, ein halb verbranntes Sofa, ein verbogenes Fahrrad, ein zerbeultes Auto, ein zerdrückter Puppenwagen. An einer Ecke war eine fast vollständig erhaltene Küchenzeile zu sehen, mit einem Kühlschrank, auf dem Familienfotos und bunte Kinderbilder klebten. Hinter der Küchenwand lagen drei weitere Tote – es war die Familie von den Fotos. Schluchzend stolperte ich weiter

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