Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
aufs Ohr legen.«
»Zuerst solltest du die Sache mit dem Herzog regeln.«
Er wedelte nachlässig mit der Hand. »Darum kümmere ich mich schon.«
»Aber nicht erst, wenn du ausgeschlafen hast.«
»Keine Sorge, ich hab es im Blick.«
»Ich verlass mich darauf.«
»Ja doch. Ist angekommen.« Er wirkte gestresst. »Mir macht die ganze Sache auch keinen Spaß, Anna. Eigentlich könnte ich jetzt schon wieder bei meiner Freundin in Berlin sein. Bloß, weil der Übertritt schiefgegangen ist, muss ich jetzt noch bis zum nächsten Mondwechsel hier Dienst schippen.«
»Schieben«, sagte ich. »Es heißt Dienst schieben.«
»Danke, aber das hilft mir auch nicht wirklich weiter. Ich darf nicht mal übers Wochenende nach Hause.«
Er klang genauso entnervt, wie ich mich fühlte. An diesem Morgen hatte ich kein einziges Mal seine Zahnlücke gesehen, die sonst bei jedem Lächeln aufblitzte. Der verlängerte Aufenthalt in der Vergangenheit tat uns beiden nicht gut. In gedrückter Stimmung verabschiedete ich mich von ihm und versuchte als Nächstes mein Glück auf dem Pont Notre-Dame, doch wie beim letzten Mal war Esperanzas Maskenladen geschlossen und von ihr selbst weit und breit kein Zipfel zu sehen.
Dafür machte gerade Monsieur Baptiste sein Geschäft auf. Umgeben von einer Wolke aus Rosenduft – immerhin wechselte er ab und zu die Parfümsorte – sortierte er diverse Flakons und Blütenkissen für seine Auslage und bot mir bei der Gelegenheit gleich ein neues Eau de Toilette aus eigener Fabrikation an.
»Exotisch wie die Gärten eines Harems im Orient«, pries er seine Kreation an. »Verheißungsvolle Sinnenfreuden entfalten sich in ihrer ganzen Fülle in einem einzigen Tropfen dieser herrlichen Essenz. Frisch zusammengemixt für die Dame von Welt.« Er strahlte mich verkaufsfördernd an. Im nächsten Augenblick erkannte er mich und zog sich fluchtartig ins Innere seines Ladens zurück.
Ich überlegte, ob ich noch auf einen Sprung bei Cécile vorbeischauen sollte, doch sie schlief garantiert noch tief und fest und würde daher mindestens so sauer wie Gaston reagieren, wenn ich sie um diese Tageszeit aufscheuchte. Folglich ging ich zurück zur Place Royale. Blöderweise hatte ich vergessen, einen Schlüssel mitzunehmen. Weil kein Diener im Haus war, um mir aufzumachen, passierte erst mal lange überhaupt nichts, nachdem ich den Türklopfer betätigt hatte. Auch nicht nach dem zweiten und dritten Mal. Fröstelnd und klopfend stand ich vor der Tür und wartete eine gefühlte halbe Stunde, bis endlich oben ein Fensterladen aufging und Maries Stimme ertönte.
»Wer ist da?«
»Ich bin’s. Anna.«
»Um Himmels willen!«
Sie kam sofort nach unten und öffnete mir im Nachthemd die Tür. »Wo warst du? Bist du wieder über Nacht weg gewesen?«
»Nein. Ich konnte nicht schlafen und musste an die frische Luft.«
Das war nicht mal gelogen.
Marie zog mich ins Haus und musterte mich besorgt. »Du siehst schrecklich aus. Übernächtigt und schmutzig und restlos erschöpft.«
So fühlte ich mich auch. Mit einem Mal war ich so erledigt, dass ich nur noch ins Bett wollte. Am liebsten hätte ich hundert Jahre geschlafen. So wie Dornröschen. Nur, dass mich am Ende kein Prinz wach küssen würde, denn im Moment gab es keinen, der dafür infrage kam. Ich konnte froh sein, wenn Sebastiano mich nicht dem Kardinal auslieferte.
»Er weiß es«, sagte ich müde.
»Wer weiß was?«
»Sébastien weiß, dass die Königin sich hier mit dem Herzog getroffen hat. Er hat sie beschattet. Und dem Kardinal hat er bestimmt auch schon alles erzählt.«
»Oh, das ist mir klar«, sagte Marie. Abwägend betrachtete sie mich. »Er war letzte Nacht hier, nicht wahr?«
Ich nickte mit heißen Wangen. Sie streckte die Hand aus und fasste nach dem Stoffzipfel, der aus der Tasche meines Umhangs lugte. Mit einem Ruck zog sie Sebastianos Tuch hervor.
»Ah«, sagte sie. »Du wolltest es verschwinden lassen.«
Ich merkte, wie ich noch mehr errötete. »Na ja, weißt du, es ist so. Er und ich … Ich habe … ich bin …«
»Mir ist klar, dass du in diesen gut aussehenden Schurken verliebt bist, mein Kleines. Sicher hast du ihm von dem Tuch und meinen Plänen damit erzählt, oder?«
Ich nickte beschämt, doch Marie sah seltsamerweise sehr zufrieden aus, als wäre alles genau so gelaufen, wie sie es sich gewünscht hatte. Einmal mehr fühlte ich mich manipuliert, hin und her geschoben wie eine Schachfigur auf einem Spielfeld mit vielen unbekannten
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