Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
und gefährlichen Feldern. In meinem Kopf drehte sich alles, weil ich über so viele Dinge gleichzeitig nachdenken musste, aber eindeutig zu müde und ausgelaugt dafür war.
»Am besten schläfst du erst mal ein paar Stunden.« Fürsorglich hakte Marie mich unter und führte mich zur Treppe, als wäre ich eine uralte Frau.
Ich schleppte mich mühsam in mein Zimmer. Dort brachte ich gerade noch genug Kraft auf, mir den Umhang und die Schuhe auszuziehen, bevor ich aufs Bett fiel und sofort einschlief.
Ich träumte wieder, dass ich von einem gefährlichen Verfolger durch die nächtliche Stadt gejagt wurde. Zwischendurch hörte ich immer wieder von irgendwoher Josés mahnende Stimme. Trau keinem, auch nicht Sebastiano …
Voller Angst blickte ich hinter mich, doch im Dunkeln konnte ich niemanden sehen. Nur die Schritte waren deutlich zu hören. Ich rannte und rannte und kriegte kaum noch Luft, aber der Verfolger kam immer näher. Schließlich sah ich seine Gestalt als Schatten an einer Fassade auftauchen, riesenhaft vergrößert vom Licht einer Fackel. Bei dem Versuch, schneller zu laufen, stolperte ich über eine Kante und stürzte in einen gähnenden schwarzen Abgrund. Ich fiel und fiel und fiel, verzweifelt mit Armen und Beinen rudernd, so ähnlich wie Alice im Wunderland bei ihrem Sturz in eine fremde Dimension. Den Verfolger war ich trotzdem nicht losgeworden, er war mir immer noch dicht auf den Fersen. Nur sehen konnte ich ihn nicht, weil es so finster war.
»Nein!«, schrie ich, als er die Hand nach mir ausstreckte und mich packte. »Lass mich los!«
»Anna!«
Mit einem Schreckenslaut wachte ich auf. Um mich herum war es dunkel, doch gleich darauf konnte ich wieder sehen. Marie zog mir die Decke vom Gesicht, es wurde schlagartig hell im Zimmer.
»Armes Ding! Du hattest einen Albtraum.« Sie setzte sich auf die Bettkante und tätschelte mir die Wange. »War es sehr schlimm? Hier, trink etwas, das beruhigt.« Sie reichte mir einen Pokal mit Punsch, der eindeutig zu viel Alkohol enthielt, aber das merkte ich erst nach ein paar durstigen Schlucken. Immerhin beruhigte er mich wirklich. Das rasende Hämmern meines Herzens verlangsamte sich, ich konnte wieder freier atmen.
»Wie spät ist es?«, fragte ich krächzend.
»Schon fünf. Du hast fast acht Stunden geschlafen.«
Marie wirkte besorgt, diesmal allerdings nicht meinetwegen, sondern aus einem anderen Grund, wie ich an ihrem geistesabwesenden Blick erkannte. Irgendwas musste passiert sein!
»Was ist los?«, erkundigte ich mich beunruhigt.
»Die Königin …« Marie stockte, sie war sichtlich außer sich. »Die Brillanten … Die Königin hat dem Herzog ihr Collier geschenkt.«
»Ich weiß«, gab ich zu. »Ich konnte es durch die Wand hören und dachte noch bei mir, dass es deswegen bestimmt noch Probleme geben wird.«
»Oh. Nun ja, die gibt es tatsächlich. Der König hat die Königin aufgefordert, das Collier auf dem Ball zu tragen!«
Na klasse. Von wegen Mischung aus Legende und Fiktion. Bei nächster Gelegenheit würde ich Gaston unter die Nase reiben, dass ich doch recht gehabt hatte. Zum Glück hatten wir vorgesorgt.
»Und das ist nicht einmal das Schlimmste«, fuhr Marie fort. »George Villiers – er hat die Brillanten nicht mehr.«
Ich setzte mich ruckartig auf. O Gott! Nur das nicht! Dabei hatte Gaston es mir ausdrücklich versprochen! Diese Trantüte – nur weil er unbedingt seinen Schönheitsschlaf brauchte, war Richelieu schneller gewesen!
»Er hat sie beim Pfandleiher versetzt«, erklärte Marie.
Konsterniert sah ich Marie an. »Bist du sicher, dass sie ihm nicht gestohlen wurden?«
»Ganz sicher. Ich erhielt vorhin Nachricht von der Königin. Gleich nachdem der König ihr das Anlegen der Brillanten befohlen hatte, sandte sie eine Botschaft an George, mit der Bitte, ihr für die Ballnacht das Collier zu überlassen. Er schrieb zurück, dass er es aufgrund eines drängenden Finanzbedarfs verpfändet habe.«
»So ein Betrüger!«, rief ich voller Entrüstung.
»Nun ja, das kann man so nicht sagen. Schließlich war es ein Geschenk, und damit darf man streng genommen tun, was man will. George ist ein tapferer und aufrechter Patriot, und als solcher ist er an politischen Entwicklungen beteiligt, die viel Geld kosten. Wie du weißt, tobt in manchen Teilen Europas ein mörderischer Krieg. Es gibt die unterschiedlichsten Allianzen zwischen den Nationen, und so müssen die Länder, die nicht in die Kämpfe hineingezogen werden wollen,
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