Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
alldem Luxus. Im Kamin brannte ein anheimelndes Feuer und davor stand ein großer Badezuber, der mit dampfendem Wasser gefüllt war. Ein verführerisch orientalischer Duft schwebte mir entgegen. Jemand, der es besonders gut mit mir meinte, musste das Badewasser parfümiert haben.
Die Magd bot an, mir beim Auskleiden und Waschen zu helfen, doch wie schon einmal erklärte ich, dass ich allein zurechtkäme. Nachdem sie den Raum verlassen hatte, schob ich den Riegel vor. Dann zog ich mich in Windeseile aus. Die verschwitzten und fleckigen Kleidungsstücke ließ ich einfach fallen und stieg in den Zuber. Ein Stöhnen entwich mir, weil das Wasser so heiß war, aber vor allem, weil es sich so wundervoll anfühlte. Hatte ich die ganzen Wochen andauernd von einer ordentlichen Dusche geträumt, musste ich jetzt feststellen, dass ein richtig heißes Bad auch nicht zu verachten war. Genau genommen war es sogar der helle Wahnsinn. Eigentlich sogar besser als Duschen.
Seufzend ließ ich mich tief in die Wanne gleiten und genoss für eine Weile einfach nur die Wärme und den Duft.
Neben dem Zuber stand ein Tischchen mit frischen Tüchern und einer Seifenschale. Die Seife roch nach Frühlingsblumen und schäumte verheißungsvoll, als ich mir die Haut damit abrieb und mir ganze Brocken davon in die Haare massierte. Keine Frage, hinterher würde ich mich so frisch fühlen wie schon lange nicht mehr.
Ich tauchte mehrmals unter und wusch mir den Schaum ab, danach wiederholte ich die ganze Prozedur noch zwei Mal, weil es so guttat. Danach stand für mich eines fest: Nie wieder würde ich das Haarewaschen als notwendiges Übel betrachten, das man beim täglichen Duschen mal eben hinter sich brachte, sondern als echtes Privileg. Von meinem nächsten Taschengeld würde ich mir zehn verschiedene Shampoos kaufen und sie allesamt nacheinander anwenden. Stundenlang würde ich das machen. Und es so richtig genießen.
Ich blieb noch eine Zeit lang in dem mittlerweile trüben Badewasser sitzen und träumte von zu Hause. Nach einer Weile wurde das Wasser jedoch immer kühler und allmählich schlichen sich auch ungute Gedanken in meine Tagträume. Zum Beispiel daran, dass ich mit meinen Eltern zurück nach Deutschland fahren und Sebastiano vielleicht nicht mehr wiedersehen würde. Es tat richtig weh, sich das vorzustellen, weshalb ich es auch schnell verdrängte. Ich lenkte mich ab, indem ich platschend aus der Wanne stieg und mich heftig mit einem der bereitliegenden Tücher trocken rubbelte. Auf einer Kommode fand ich weitere Pflegeutensilien, darunter einen Kamm und diverse Tiegelchen. In einem davon war eine Art Bodylotion, jedenfalls roch es so, weshalb ich mir großzügig die Arme damit einrieb. Mit dem Kamm entwirrte ich mein Haar, das zwar nach der Wäsche wunderbar sauber, aber leider noch verzottelter als vorher war. Entsprechend lange dauerte es, bis ich es ausgekämmt hatte. Anschließend flocht ich mir einen Zopf und musste dabei an das gemeinsame Haarewaschen mit Clarissa denken.
Sofort plagte mich mein Gewissen, weil ich das Bad so genossen hatte, ohne mir Gedanken zu machen, wie es ihr gerade erging. Alvise hatte davon gesprochen, dass sie ihm noch gute Dienste leisten solle, genau wie Trevisan. Was für mörderische Pläne er wohl für die beiden ersonnen hatte? Mit Sicherheit solche, die nicht gut für sie ausgingen.
Mit einem Mal hatte ich es sehr eilig, mich wieder anzuziehen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, Alvise kleinzukriegen! Und vor allem Clarissa, Bart und Trevisan zu befreien!
Erfüllt von dem brennenden Bedürfnis, über all das mit Sebastiano zu sprechen, hätte ich mir um ein Haar die stinkenden Klamotten gegriffen, die ich vor dem Baden auf den Boden geworfen hatte. Gerade noch rechtzeitig bemerkte ich die versprochene frische Kleidung, die auf dem Bett ausgebreitet lag. Ein duftiges weißes Unterkleid von genau passender Länge, dazu ein blau-seidenes Gewand mit golddurchwirkten Schnüren und feine Strümpfe, die mit Bändern oberhalb der Knie befestigt werden konnten.
Anders als bei meinem ersten Aufenthalt in diesem Zimmer hatte ich diesmal keine Bedenken, die Sachen anzuziehen. Die getragene Kleidung ließ ich liegen. Nur den Gürtel schnallte ich um, weil daran immer noch mein Beutel hing.
Ich betrachtete mich kurz im Spiegel. Die Renaissancemode hatte wirklich etwas, fand ich. In diesen Kleidern konnte eine Frau sehr hübsch aussehen. Anfangs war mir das alles noch sehr altertümlich
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