Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Räumlichkeiten wesentlich niedriger und beengter als im herrschaftlichen Obergeschoss, eher so, wie ich es von Matildas Haus her kannte. Es roch nach Küche und heißer Seifenlauge.
Im Gang lief ich einem der Dienstmädchen über den Weg und ließ mir erklären, wo sich der Wassersaal befand.
Hastig lief ich weiter, noch ganz verstört von der Begegnung mit den beiden Männern. Wie war dieser Alvise aus der Zukunft hierhergekommen?
Ich kam an einer Wäscherei vorbei, die von Dampfschwaden erfüllt war, und danach an der Küche, in der es ebenfalls dampfte, aber von dem Kochkessel, der überm Feuer hing. An der Anrichte und den Tischen standen mehrere Frauen und bereiteten Essen zu.
Unter anderen Umständen wäre ich kurz stehen geblieben und hätte mich für das gute Frühstück bedankt, doch damit konnte ich mich jetzt nicht aufhalten. Mir war eben wieder eingefallen, wo ich den Namen Malipiero schon gehört hatte: Als ich nach meiner Ankunft in der Vergangenheit aus meiner Bewusstlosigkeit erwacht war, hatte ich Sebastiano über ihn sprechen hören. Die Malipieros lauern mit Gift und Dolch an jeder Ecke!
Man konnte riechen, dass der Wassersaal nur noch ein paar Schritte entfernt war. Aus dem Durchgang schlug mir fauliger Kanalgestank entgegen.
Dann hörte ich die Stimme des einäugigen Gondoliere José und blieb vor Schreck über seine Worte ruckartig stehen.
»Also bringst du das Mädchen heute noch im Kloster unter?«
»So schnell wie möglich«, bestätigte Sebastiano.
»Dafür wird sie eine Erklärung verlangen. Sowie überhaupt für alles Weitere.«
»Das regle ich schon. Zur Not berufe ich mich auf die Sperre.« Sebastiano lachte wie über einen guten Witz.
»Welche Sperre?«, wollte José wissen.
»Jene, die auch sie selbst an anachronistischen Äußerungen hindert. Sie ist davon überzeugt, dass ich über manche Dinge nicht mit ihr sprechen kann, weil sie glaubt, dass ich aus ihrer Zukunft komme.«
Der Alte kicherte. »Was für ein raffinierter Lügner du bist!«
»Ich habe nicht mal gelogen, sondern bloß auf ihre Fragen hin gesagt, dass ich darüber nicht sprechen kann. Die Erklärung dafür hat sie sich selbst zurechtgelegt.«
»Dafür kannst du dankbar sein«, befand José. »Weiß Gott, das Schlimmste an den Frauen ist ihre Neugier.«
Ich stand mit geballten Fäusten im Gang und kochte vor Wut.
»Ich finde in der Zwischenzeit heraus, was die Malipieros als Nächstes planen«, fuhr José fort. »Eine offene Auseinandersetzung steht in Kürze bevor, so viel ist sicher. Spätestens heute Abend weiß ich mehr. Bis bald, mein Junge.«
»Bis bald, José.«
Ich hörte ein Scharren und darauf ein Plätschern, als würde ein Boot ablegen. Vorsichtig lugte ich durch den Türspalt in den Wassersaal. Das große Tor zum Kanal stand offen und ich sah, wie José mit einer Gondel davonfuhr.
Sebastiano kam in meine Richtung. Eilig wich ich zurück, doch es war zu spät. Er hatte mich bereits entdeckt.
»Ich will nicht ins Kloster!«, fuhr ich ihn an, bevor er etwas sagen konnte. »Ich will überhaupt nicht in dieser Zeit bleiben. Und ich will auch kein Ereignis verhindern. Vor allen Dingen aber will ich nichts mit den fiesen Malipieros zu tun haben!« Ich hielt inne. »Die sind übrigens alle beide hier im Haus. Sie sind hergekommen, um mit dieser Marietta zu feiern. Ich bin ihnen vorhin über den Weg gelaufen.«
»Sie sind … Verdammt!«
»Genau. Höchste Zeit für ein paar Erklärungen.« Ich blickte ihn herausfordernd an. »Und erzähl mir bloß nicht mehr, dass du nicht darüber sprechen kannst!«
»Nicht hier«, sagte er. »Wo ein Lauscher war, können sich rasch weitere einfinden.«
Ich spürte, wie ich errötete, doch mein Ärger übertraf meine Verlegenheit um ein Vielfaches.
Ich folgte Sebastiano zur Anlegestelle vor dem Haus, wo mehrere Gondeln festgemacht waren. Er half mir, eine davon zu besteigen, und löste die Leine. Während er das Ruder in die Haltevorrichtung hängte, betrachtete er mich düster.
»Was haben die Malipieros gesagt?«, wollte er wissen.
Ich setzte mich auf die Bank und zuckte die Achseln. »Sie dachten, ich wäre eine neue … Na ja, wie auch immer. Jedenfalls wollten sie, dass ich mit ihnen feiere. Vor allem dieser Alvise, von dem du das Messer hast. Ein echter Kotzbrocken.«
Sebastiano wirkte besorgt. »Hat er dich wiedererkannt?«
»Ich glaube nicht. Jedenfalls hat er sich davon nichts anmerken lassen. Erklärst du mir jetzt, was das alles
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