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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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trauernde. Eine frisch verwitwete Dame trug keine silbern schillernde Halbmaske. Und kein bonbonfarbenes Kleid mit einem Ausschnitt, bei dem die Brüste fast oben heraushüpften. Und was die Frisur anging, war auch die nicht gerade typisch für eine Witwe. Dorotea hatte sich das Haar in unzähligen Löckchen zu einem turmartigen Gebilde hochdrapiert, in dem sogar Polidoro hätte nisten können.
    Was Clarissa und mich betraf, so sahen wir eine Spur sittsamer aus, was aber allein daran lag, dass wir nicht so viel Schminke aufgetragen hatten und unauffälliger frisiert waren. Clarissa hatte ihr Haar mit Seidenbändern zu einer Art Zopfkrone geflochten und nur einige Löckchen herausgezupft, was ihrem zarten Gesicht einen lieblichen Ausdruck verlieh. Ich selbst trug mein Haar offen, glänzend gebürstet und an den Schläfen mit zwei Spangen zurückgesteckt, eine Frisur, mit der ich auch zur Schule hätte gehen können. Nur dass ich in dem Kleid nicht wie ein Schulmädchen aussah. Im Kloster war es mir nicht aufgefallen, weil Doroteas Spiegel so klein war. In diesem Königsspiegel dagegen prangte meine Gestalt in fast voller Größe. Gut zu sehen war vor allem der Teil, an dem leicht zu erkennen war, was Clarissa vorhin gemeint hatte. Mein Ausschnitt war unfassbar tief, obwohl er mir im Kloster noch ganz akzeptabel vorgekommen war. Aber da hatte ich nur von oben an mir heruntergeblickt und dabei bloß das wunderbare Schimmern der blauen Seide registriert, nicht all die nackte Haut. Aus zwei Metern Entfernung in einem großen Spiegel betrachtet, bekam ich plötzlich einen ganz anderen optischen Eindruck von mir selbst. Das Kleid – oder vielmehr: ich in dem Kleid – sah regelrecht verboten aus, mit eng geschnürtem Oberteil und herausquellendem Busen. Wo war das verflixte gelbe Tuch? Ach ja, richtig, ich hatte es einem von den Lakaien gegeben, der die Umhänge und Jacken von den Gästen entgegengenommen hatte.
    Hastig drapierte ich ein paar Haarsträhnen über die nackten Tatsachen, in der Hoffnung, damit weniger aufzufallen.
    Außerdem konnte ich mich damit trösten, dass mich niemand hier kannte, schließlich kam ich von sehr weit her.
    Und ich war maskiert! Es fühlte sich gut an, die Katzenmaske zu tragen. Tatsächlich kam es mir so vor, als sei es dieselbe, die ich in der Zukunft gekauft hatte, denn sie schmiegte sich ebenso perfekt an mein Gesicht wie die andere, weich und samtig, fast so, als wäre es meine zweite Haut.
    Im Spiegel sah ich damit geheimnisvoll aus, eine faszinierende Fremde aus einem Kostümfilm. Mit einem Mal kam ich mir wirklich vor wie in einem Film. Einen, für den man mich gecastet hatte, ohne mich zu fragen. Jetzt spielte ich mit, ob ich wollte oder nicht. Leider kannte ich das Drehbuch nicht und wusste daher nicht, ob es gut oder schlecht ausging. Den Regisseur konnte ich nicht danach fragen, denn ich hatte keine Ahnung, wer er war. Und Sebastiano, der wohl so eine Art Regieassistent war, hatte sich in andere Zeiten verflüchtigt.
    Widersprüchliche Empfindungen erfüllten mich. Hier in diesem riesigen Prachtsaal zu stehen, fünfhundert Jahre vor meiner Zeit, umgeben von Menschen, die längst zu Staub zerfallen waren, wenn ich auf die Welt kam, war ein verstörendes Gefühl.
    Plötzlich sehnte ich mich so heftig nach Hause, dass mir die Tränen kamen. Ich vermisste meine Eltern! Unser Haus, meine Freunde, sogar die Schule! Wäre ich nicht in die Vergangenheit verschleppt worden, wären meine Ferien inzwischen vorbei. Was hätte ich dafür gegeben, jetzt in der Schule sitzen zu dürfen! Meinetwegen sogar im Matheunterricht!
    »Da kommt er!« Doroteas schwärmerische Feststellung riss mich aus meinen Gedanken.
    Ein Hauch von Furcht beschlich mich, als ich ihren Blicken folgte und Alvise im Durchgang zur Treppe auftauchen sah. Er war herausgeputzt, als wollte er einen Preis für das Renaissance-Kostüm des Jahres gewinnen. Goldgelbes Wams über blütenweißem Hemd, grünglänzende, eng anliegende Seidenstrumpfhosen und spitz zulaufende Lederschuhe. An seinem breit ausladenden Hut wippten Fasanenfedern, von denen eine so nah vor seinem Gesicht baumelte, dass ich es unter anderen Umständen sicher sehr komisch gefunden hätte. Doch nach Lachen war mir im Moment nicht zumute, denn mein Nacken hatte wieder angefangen zu jucken.
    Begleitet wurde Alvise von seinem Bruder Giovanni, der ähnlich gekleidet war, sich aber nicht ganz so aufdringlich in die Brust warf. Neben den beiden ging ein Mann, den

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