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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Stress!
    Nachdem ich ein paarmal tief durchgeatmet hatte, entknoteten sich meine Eingeweide wieder. Ich hatte gelernt, es einigermaßen unter Kontrolle zu bringen, indem ich mir vorstellte, ich hätte eine Imodium akut genommen. Die imaginäre Tablette wirkte beinahe so gut wie eine richtige, wenn man sie schnell genug einwarf. Manchmal musste ich in Gedanken noch eine zweite nehmen und auch das half nicht immer. Aber diesmal klappte es. Darüber war ich immens erleichtert, denn wenn es nach mir ging, wollte ich Monna Faustinas Gruselklo nie wieder benutzen müssen.
    Neben dem Herd stand eine dampfende Kanne, aus der es nach Kräutertee mit Honig roch, also war der Sud schon fertig. Ich wollte gerade damit nach oben gehen, als Sebastiano die Stiege herunterkam. Er hatte sich notdürftig gekämmt. Außerdem hatte er das Wams übergestreift und trug seine Schuhe in der Hand. Mit der anderen Hand stützte er sich an der Wand ab. Sein Gesicht war bleich und schweißbedeckt.
    Rasch stellte ich die Kanne wieder weg und eilte zu ihm. »Was hast du vor?«
    »Ich sagte doch, dass ich zum Dogenpalast muss. Es ist höchste Zeit. Vorhin hat es zur Non geläutet. Sie werden sich gleich zur Besprechung treffen.«
    »Wer?«
    »Die Malipieros, Trevisan und die anderen Zehnerräte. Bei diesem Gespräch werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Die falsche Zukunft.«
    »Und was willst du dagegen machen?«
    »Die Besprechung platzen lassen.«
    »Aber ich dachte, es ginge nur darum, Trevisans Leben zu retten!«
    »Das war die eine Sache. Doch es muss auch verhindert werden, dass die Malipieros den Rat der Zehn auf ihre Seite bringen.«
    Mit unsicheren Händen schloss er die Knebelknöpfe von seinem Wams, dann setzte er sich auf die Treppe, um sich die Schuhe anzuziehen. Ich ging in die Hocke und half ihm, weil es ihm sichtlich schwerfiel, sich vornüberzubeugen.
    Besorgt betrachtete ich ihn. »Du kannst in diesem Zustand nicht durch die Gegend laufen, Sebastiano!«
    Wieder musste er husten und als er damit fertig war, sagte er: »Ich kann und ich muss.«
    »Und wenn José in der Zwischenzeit herkommt?«
    »Er weiß, wo er mich findet.«
    »Aber du hast den Kräutersud gegen das Fieber noch nicht getrunken!«
    »Keine Zeit. Ich hole es später nach, versprochen.«
    »Ich komme mit«, sagte ich, obwohl ich aus lauter Angst vor Alvise sofort noch eine imaginäre Durchfalltablette schlucken musste.
    »Das kann ich nicht von dir verlangen, Anna.« Mühsam zog er sich von der Treppe hoch. »Ich schaffe es auch allein.«
    »Wenn das ein Witz sein soll, ist er nicht komisch. Warte einen Moment.« Ich holte das gelbe Tuch von oben, dann verließ ich mit ihm das Haus.

    Spätsommerliche Nachmittagshitze lag über der Stadt, doch ab und zu kam eine Brise vom Meer her und brachte den Geruch nach Salz und Fisch mit sich. An der Riva degli Schiavoni lagen unzählige Schiffe vertäut, die auf den Wellen schwankten. Hohe Masten ragten in unübersichtlicher Zahl in den blauen Himmel, hier und da blähten sich flatternde Segel im Wind. Die vielen altertümlichen Schiffe boten einen schönen und zugleich verstörenden Anblick, weil sie so deutlich zeigten, dass dies die Vergangenheit war.
    Sebastiano ging aufrecht neben mir, seine ganze Haltung wirkte beherrscht, doch seine Schritte waren mühsam und immer wieder musste er innehalten, um zu husten. Anscheinend war da eine richtige Bronchitis im Anmarsch. Die Schweißperlen auf seiner Stirn und seine verkniffene Miene zeigten, wie sehr er sich zusammenreißen musste, um sich nichts von seinen Schmerzen in der Seite anmerken zu lassen. Er wehrte sich nicht, als ich mich bei ihm einhakte und ihn vorsichtig stützte. Aus demselben Grund, so vermutete ich inzwischen (oder besser: Ich hoffte es!), hatte er sich am Vorabend wohl bei Marietta eingehängt.
    »Du bist so schweigsam«, sagte er, während wir den Kai in Richtung Dogenpalast entlanggingen.
    »Ach, ich denke bloß nach.«
    »Über Alvise?«
    »Über den auch.«
    »Und worüber noch?«
    Ich stieg über einen toten Fisch hinweg, der aus einem Fass rutschte, das ein vorbeigehender Seemann über der Schulter trug.
    Kurz rang ich mit mir, ob ich Sebastiano den Hauptgrund für meine Nachdenklichkeit erzählen sollte. Schließlich tat ich es einfach.
    »Als ich heute das Fiebermittel bei Clarissa holte, hat sie merkwürdige Andeutungen gemacht. Darüber, dass sie schuld am Tode eines guten Mannes ist.«
    Sebastianos Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck

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