Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
meinen Armen.«
»Das tut mir leid«, sagte ich bestürzt.
»Seither stehe ich in Sebastianos Schuld und bin dankbar für jede Gelegenheit, ihm zu helfen.«
Ich hätte zu gern gewusst, welche Gelegenheiten das im Einzelnen gewesen waren, doch ich traute mich nicht, danach zu fragen. Also blieb ich schweigend auf dem Boden hocken, bis Marietta irgendwann aufstand und erklärte, sie müsse nun wieder gehen, denn bald würden die ersten Gäste zu ihrer abendlichen Feier eintreffen.
Tatsächlich wurde es draußen bereits dunkel. Mit einem Mal merkte ich, wie müde ich war.
»Ach ja, bevor ich es vergesse – hier ist noch ein sauberes Unterkleid für dich.« Sie zog ein blütenweißes, bodenlanges Hemd aus dem Korb und reichte es mir. »Morgen lasse ich deine Kiste aus dem Kloster herholen.«
»Es darf aber niemand mitkriegen, wohin sie gebracht wird«, sagte ich.
»Mein armes Kleines, ich weiß, dass dies hier ein geheimer Unterschlupf ist«, sagte Marietta nachsichtig. »Und was Alvise für ein blutrünstiger Strolch ist, habe ich zwischenzeitlich auch erfahren. Ich werde achtgeben, keine Sorge.«
»Wann kommst du wieder?« Ich hasste mich für den hilflosen Ton in meiner Stimme, aber noch schlimmer war meine Furcht, weiß Gott wie lange untätig hier oben hocken und um Sebastianos Leben fürchten zu müssen.
»Morgen in aller Frühe kommen entweder ich oder José. In der Nacht musst du nach Sebastiano sehen und ihm Wadenwickel anlegen, wenn sein Fieber steigt.«
Ich versprach es und begleitete sie anschließend nach unten, um sie hinauszulassen.
An der Pforte bedankte mich noch einmal für ihre Hilfe, dann verriegelte ich die Tür hinter ihr und lauschte nach nebenan, wo Monna Faustinas Schnarchen zu hören war. Bei dem Geräusch wurde ich erst recht müde. Ich kletterte die Stiege hoch und machte mir wie in der Nacht zuvor ein behelfsmäßiges Lager auf dem Boden zurecht. Wenig später war ich tief und fest eingeschlafen.
Wie ich gehofft hatte, wurde ich beim ersten Nachtläuten wach. Es war nur ein kaum hörbares Bimmeln, aber ich hatte mir vor dem Einschlafen eingehämmert, dass ich unbedingt beim leisesten Geräusch aufwachen müsse, um nach Sebastiano zu sehen. Anscheinend hatte mein innerer Befehl gewirkt, denn ich fuhr schon beim ersten schwachen Glockenklang hoch. Und stöhnte laut auf, denn das Liegen auf dem harten Fußboden war mir nicht gut bekommen. Mein ganzer Körper fühlte sich derartig steif an, dass ich es kaum schaffte aufzustehen. Langsam lockerte ich meine Muskeln und drehte den Kopf hin und her, bis ich mich wieder einigermaßen beweglich fühlte. Anschließend trat ich an Sebastianos Lager und beugte mich über ihn. Diesmal musste ich nicht seinen Puls fühlen, um mich zu vergewissern, ob er noch lebte. Er atmete so laut, dass daran kein Zweifel bestand. Fraglich war allerdings, ob er das noch lange durchhalten würde, denn jedes Mal, wenn er Luft holte, rasselte es in seiner Brust, als hauste dort ein Alien, der in den letzten Zügen lag. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Stirn – und keuchte entsetzt auf. Er hatte vorher schon Fieber gehabt, aber jetzt fühlte er sich an wie eine Heizung auf Stufe fünf. Mindestens. Er glühte förmlich!
Hektisch fummelte ich mit dem Feuerbesteck herum, bis ich endlich ein Talglicht entzündet hatte, und dann beeilte ich mich, kaltes Wasser von unten heraufzuholen, damit ich Sebastiano frische Wickel anlegen konnte. Von Monna Faustina war nichts zu hören und zu sehen; falls sie in der Zwischenzeit überhaupt aufgestanden war, hatte ich es verschlafen. Irgendwo in meinem Hinterkopf meldete sich der Gedanke, dass daran etwas komisch war, doch ich achtete nicht weiter darauf, denn es gab genug andere Probleme. Solche, die richtig schlimm waren.
Sebastiano wurde wach und fing an zu husten, als ich ihm das Laken vom Körper zog, um die Wadenwickel anbringen zu können. Er kam jedoch nicht richtig zu sich, sondern stieß nur zusammenhanglose Worte hervor. Als ich die mit kühlem Wasser getränkten Leinenstreifen um seine Waden wickelte, begann er, um sich zu schlagen und mich anzuschreien, als wollte ich ihm etwas antun.
»Lass mich oder ich bring dich um!«, brüllte er. Dann bekam er einen weiteren Hustenanfall.
Verstört starrte ich ihn an. Sein Gesicht war im Licht der Kerze dunkelrot angelaufen und seine Augen rollten wild, bis fast nur noch das Weiße darin zu sehen war.
»Muss gehen«, stöhnte er. »Muss … muss ihn
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