Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
einen Tag und eine Nacht in tiefen Schlaf versetzt.«
Das verschlug mir die Sprache. Es stimmte, Monna Faustina war klein und mager, sogar ich hätte sie mit einer Hand hochheben können. Was Clarissa da erzählte, klang beinahe, als könnte es wahr sein. Doch nachdem sie mich schon so häufig angelogen hatte, blieb ich wohl besser auf der Hut.
»Hätte Sebastiano es selbst getrunken, hätte es ihm geholfen!«, fuhr Clarissa eifrig fort. »Es war nicht nur ein Mittel zum Schlafen, sondern auch gegen Fieber.«
»Du kannst mir viel erzählen«, sagte ich.
»Aber es stimmt! Niemals hätte ich Alvises perfidem Ansinnen Folge geleistet, obwohl er mir das Blaue vom Himmel herab versprach!«
»Was hat er dir denn versprochen?«, fragte ich, gegen meinen Willen neugierig.
»Dass er mich in meine Zeit zurückbringt.«
»Und diesen Schwachsinn hast du ihm geglaubt?«
»Woher soll ich wissen, ob er es nicht tatsächlich kann?« Sie zuckte die Achseln. »Ihm nicht zu glauben, bringt mich auch nicht heim. Aber seine Mordpläne zu unterstützen, kam natürlich trotzdem nicht infrage. Schließlich habe ich so etwas wie ein Gewissen. Du erinnerst dich sicher, dass ich mich zuerst sogar sträubte, dir überhaupt ein Mittel mitzugeben.«
»Und warum tatest du es dann trotzdem?«
»Weil Jacopo so darauf drängte. Und weil ich mir kurz entschlossen überlegte, hinterher gegenüber Alvise zu behaupten, ich hätte dir wirklich Gift mitgegeben, dass aber dieses nicht richtig gewirkt habe, vermutlich, weil Sebastiano nicht alles getrunken habe. Das hätte ich natürlich nicht behaupten können, wenn ich dir erst gar nichts mitgegeben hätte. Es bot sich also an, ein Schlafmittel in die Fieberkräuter zu mischen, um es für Alvise so aussehen zu lassen, als hätte ich mitgemacht.« Triumphierend blickte sie mich an. »Siehst du jetzt ein, dass ich nur das Beste für Sebastiano wollte?«
So schnell ließ ich mich nicht einwickeln. »Du meinst wohl eher das Beste für dich .«
Clarissa errötete. »Ist es denn ein Verbrechen, dass ich nach Hause will?«
Auf diese dämliche Frage gab ich keine Antwort. »Wie hat Alvise dich überhaupt gefunden?«, wollte ich stattdessen wissen.
Sie zuckte wieder die Achseln. »Ich nehme an, er hat über Dorotea herausgefunden, wer ich bin, was ich mache und wo ich wohne. Gestern Vormittag stand er auf einmal vor der Tür.«
Irgendetwas störte mich an dieser Aussage, doch ich konnte nicht genau sagen, was. Hinzu kam, dass sie ernstlich zerknirscht wirkte.
»Ich weiß, ich hätte ihn sofort wegschicken sollen«, sagte sie mit gesenktem Kopf. »Aber er hat mir gedroht, dass er auch anders könne. Er hatte etwas Angsteinflößendes an sich.«
Damit sagte sie auf jeden Fall die Wahrheit.
»Wie geht es Sebastiano denn jetzt?«, fragte sie zaghaft.
Argwöhnisch suchte ich in ihrem Gesicht nach Hinweisen, ob der demütige Tonfall ihrer Stimme aufgesetzt war.
»Keine Ahnung«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Er ist … abgereist.«
»Oh.«
»Falls es dich auch noch interessiert, wie es Bart geht – er wurde vorhin zusammengeschlagen und verhaftet.«
»O Gott!« Sie erbleichte vor Schreck und das war auf jeden Fall echt. »Was ist passiert?«
Ich erzählte es ihr und schloss mit der Bemerkung: »Ich nehme an, man hat ihn im Dogenpalast eingesperrt. Soweit ich weiß, sind da die Verliese. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie wir ihn da rausholen.«
Clarissa nagte an ihrer Unterlippe. »Falls du daran dachtest, ihn bei Nacht und Nebel zu befreien, so muss ich dir sagen, dass so ein Unterfangen aussichtslos ist. Man muss Autoritäten einschalten, je mächtiger sie sind, desto besser. Und das muss schnell geschehen, denn sonst drohen ihm arge Strafen.«
Ich dachte an die Enthauptung zwischen den Säulen auf der Piazzetta und hatte plötzlich einen gallebitteren Geschmack im Mund. Den Kopf würden sie Bart zwar nicht gleich abschlagen, aber vielleicht die Hand. So wurden hier Diebe bestraft.
»José ist mit Sebastiano fort«, sagte ich. »Und die alte Esperanza ist nicht da.«
»Ich meinte nicht diese Art von Autoritäten, sondern Männer aus Regierungskreisen. Zehnerräte oder Prokuratoren.«
Na super. Von denen kannte ich ja auch so viele.
»Ich könnte höchstens Trevisan um Hilfe bitten«, sagte ich. »Aber was soll ich ihm erzählen?«
»Eine schlüssige Lüge natürlich«, sagte Clarissa.
Logisch. Damit kannte sie sich bestens aus, weshalb sie mir auch gleich erklärte, was ich
Weitere Kostenlose Bücher