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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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verwaist in der Dachkammer stand und mich daran erinnerte, dass jetzt mehrere Hundert Jahre zwischen uns lagen. Ich schloss die Augen und malte mir aus, wie er in der Notaufnahme lag. Ein banges Gefühl erfasste mich, denn es war ganz leicht, sich alles bildlich vorzustellen.
    »Wir verlieren ihn«, rief jemand.
    Eine Ärztin setzte ihm die Atemmaske auf, die andere lud das Wiederbelebungsgerät auf zweihundert. »Und weg!«, schrie sie, während sie den Strom durch Sebastianos Körper jagte. Er zuckte heftig und auf dem Monitor erschien eine gezackte Linie.
    »Wir haben einen Puls!«, sagte die eine Ärztin.
    »Gut gemacht, Izzy«, meinte die andere. Jetzt erst fiel mir auf, dass die beiden aussahen wie Izzy und Meredith in Grey’s Anatomy.
    Na toll, dachte ich ironisch. Kein Problem, wenn ich ein paar Folgen verpasse. Ich erfinde mir einfach selbst welche.
    Wie auch immer – in jedem Fall würden sich kompetente medizinische Profis aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert um Sebastiano kümmern. Sie würden ihm Infusionen legen und seinen Körper mit Antibiotika vollpumpen und in einer Woche wäre er so gut wie neu. Etwas anderes wollte ich mir nicht vorstellen. Er musste ganz einfach wieder gesund werden!
    Hastig wusch ich mich, eine mühselige und zugleich behelfsmäßige Prozedur, denn um richtig sauber zu werden, hätte ich weit mehr Wasser gebraucht. Mit diesem bisschen konnte ich nur ein paar besonders reinigungsbedürftige Stellen meines Körpers anfeuchten und damit hatte es sich auch schon. Was hätte ich für mein Deo gegeben!
    Mein Haar, das genauso dringend eine gründliche Wäsche nötig gehabt hätte, musste ebenfalls auf bessere Zeiten warten. Ich kämmte es, so gut es ging, und flocht es im Nacken zu einem straffen Zopf, den ich mit dem einzigen Seidenband festband, das nach all den Tauschaktionen mit Dorotea noch übrig war.
    Danach zog ich frische Strümpfe und das saubere Unterkleid an. Von den beiden Oberkleidern wählte ich das unauffälligere und schnürte es sorgfältig vor der Brust zu. Mit dem Gesichtsschleier und einem Schultertuch vervollständigte ich mein Outfit und war anschließend abmarschbereit. Bevor ich ging, befestigte ich das Geldsäckchen an meinem Gürtel, damit meine geschäftstüchtige Zimmerwirtin nicht in Versuchung kam.
    An der Tür atmete ich noch einmal tief durch und sammelte mich. Dann machte ich mich auf den Weg.

    Der Palazzo wirkte bei Tageslicht noch einschüchternder und prächtiger als am Abend des Balls. Die Fassade war mit farbigen Fresken bemalt, hauptsächlich biblische Szenen, das liebten die Leute in dieser Zeit. Marmorne Löwenköpfe verzierten die Fensterbrüstungen. Eine mit Samt behängte Gondel dümpelte am Kai. Alles war vom Feinsten.
    Ich hoffte, dass Trevisan bessere Laune hatte als am Vortag. Gute Laune förderte die Hilfsbereitschaft. Vor allem aber hoffte ich, dass er überhaupt zu Hause war.
    Der Diener, der mir auf mein Klopfen hin die Pforte öffnete, musterte mich mit einer Spur Herablassung. Vielleicht hätte ich doch das feinere Seidenkleid anziehen sollen anstelle des schlichteren Baumwollgewands. Doch für diese Überlegung war es zu spät.
    Ich schlug den Schleier zurück und erklärte, Messèr Trevisan in einer dringenden Angelegenheit sprechen zu müssen. Als der Diener nach meinem Namen fragte, dachte ich kurz nach. Ich war Trevisan bisher überhaupt nicht vorgestellt worden! Er kannte mich bloß als kleine Katze!
    Das konnte ich dem Diener natürlich schlecht erklären. Der würde einen Lachkrampf kriegen, schließlich war ich nicht Catwoman.
    »Ich bin Anna, Messèr Trevisan weiß Bescheid«, sagte ich hoheitsvoll. »Wir trafen uns gestern vor dem Sitzungssaal im Dogenpalast. Dort unterhielten wir uns. Messèr Trevisan, mein Cousin Sebastiano und ich.«
    Der Diener gab sich damit zufrieden. Er forderte mich auf zu warten und verschwand in Richtung Treppe. Nach einer Weile kam er wieder und bat mich, ihm zu folgen.
    Der große Saal im Piano Nobile wirkte ohne den Glanz des Kerzenlichts viel nüchterner als während der Feier. Als ich an dem großen Spiegel vorbeikam, blickte ich kurz hinein. Keine Spur von der strahlenden Renaissanceschönheit, die mich am Abend des Balls aus dem Spiegel angeschaut hatte. Ich sah blass und übernächtigt aus. In dieser Welt ohne Abdeckstifte konnte ich leider nichts dagegen unternehmen, außer gründlich auszuschlafen.
    Der Diener führte mich in einen der Räume, die vom Portego abgingen.
    »Mein

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