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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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her.“
    Guy muß­te zu­ge­ben, daß dies von der Wahr­heit nicht weit ent­fernt war, be­hielt aber sei­ne Über­le­gung für sich. „In wel­che Rich­tung sind sie denn ge­rit­ten?“
    „Nach Ver­dun, wo­hin sonst?“
    „Wo­hin sonst“, pflich­te­te der Saar­län­der bei und frag­te sich, wo das wohl sein moch­te. Wahr­schein­lich lag Ver­dun in der Rich­tung, die er selbst auch ein­ge­schla­gen hat­te; wenn durch die­ses Dorf zwei Rei­ter ge­kom­men wa­ren, dann muß­te die Haupt­stadt Loth­rin­gens wohl auch in die­ser Rich­tung lie­gen.
    Er klet­ter­te in den Sat­tel – wie lan­ge wür­de es wohl dau­ern, bis er den eben­falls ein­tau­schen muß­te? – und freu­te sich, daß er die rich­ti­ge Stra­ße ge­fun­den hat­te. Nach dem, was er von der Ge­schich­te ge­hört hat­te, muß­te das Mäd­chen ein paar Ta­ge vor der Schlacht aus Blan­cz ent­führt wor­den sein. Was hat­te sie in der Zwi­schen­zeit ge­macht? Es fiel ihm ein, was der Bür­ger­meis­ter des Dorfs ihm er­zählt hat­te, und da glaub­te er, auf der rich­ti­gen Fähr­te zu sein.
    Hat­te der Huf­schmied sie wirk­lich ge­se­hen? Sie konn­te nicht die ein­zi­ge Frau mit ro­ten Haa­ren sein. Und – an­ge­nom­men, sie war es tat­säch­lich – wer war der Rei­ter, der sie be­glei­te­te? Sie wa­ren in Rich­tung Ver­dun ge­rit­ten. Was woll­ten sie dort? Und – der Ge­dan­ke kam ihm plötz­lich – was war, wenn sie nicht mit ihm zu­rück­kom­men woll­te…?
    Erst ein­mal muß­te er sie fin­den, aber es wur­de ihm klar, daß die­ser Auf­trag weit mehr Schwie­rig­kei­ten mit sich brach­te, als er ur­sprüng­lich an­ge­nom­men hat­te.
     
     
    „Wo hast du denn das Mäd­chen her?“ frag­te Raul. „Dei­ne Beu­te aus der Schlacht, was?“
    „Mäd­chen?“ sag­te Pe­ri­er ge­dan­ken­ab­we­send. „Ach so. Ja.“
    „Ja was?“
    Pe­ri­er nahm das Stich­wort auf. „Was“, sag­te er, „ist mit ihr pas­siert?“
    Der zwei­te Loth­rin­ger seufz­te laut; er wuß­te, daß er von sei­nem Freund kei­ne Ant­wort be­kom­men wür­de. „Mei­ner An­sicht nach bist du des­halb ins Ver­lies ge­wor­fen wor­den. Na­po­le­on woll­te sie für sich ha­ben.“
    „Die­ser rotz­nä­si­ge Pis­ser?“
    „Nicht so laut. Aber du hast voll­kom­men recht. Ih­re Ge­füh­le ent­spra­chen of­fen­sicht­lich de­nen Na­po­le­ons. Seit er sie in sein Schlaf­zim­mer ge­holt hat, ist sie nicht mehr ge­se­hen wor­den, und jetzt ist er äu­ßerst wü­tend, weil sie ver­schwun­den ist.“ Raul stieß Mar­cel am El­len­bo­gen an und goß da­bei einen Teil sei­nes Bier­es über sein Hemd. Kei­ner der bei­den schi­en das zu be­mer­ken. „Kein Wun­der, was?“
    Pe­ri­er zuck­te die Ach­seln. „So et­was Be­son­de­res ist sie nun auch wie­der nicht.“
    „Nein?“
    „Nein.“
    „Dann bist du wahr­schein­lich der ein­zi­ge, der so denkt. In der Stadt ist je­mand, der nach ihr ge­fragt hat, und er ist kein Loth­rin­ger.“
    Pe­ri­er setz­te sei­nen Krug ab und sah den an­de­ren Haupt­mann an. „Hat er nach ihr ge­sucht?“
    Raul nick­te.
    „Wie sieht er denn aus?“ Viel­leicht konn­te er ihn nach dem Mäd­chen fra­gen. Vie­les war ihm ein Rät­sel. Warum fehl­te in sei­nem Ge­dächt­nis so viel? Wie kam es, daß er bei der Schlacht nicht mit­ge­kämpft hat­te?
    „Jung, und er kommt aus dem Saar­land. Sie muß ihm ei­ne Men­ge be­deu­ten, wenn er das Ri­si­ko auf sich nimmt und hier­her­kommt.“
    „Ja.“ Raul trank sei­nen Krug leer. „Viel­leicht hat er ja auch einen an­de­ren Grund da­für, daß er hier­her­ge­kom­men ist, aber wel­cher das sein könn­te, das kann ich mir nicht vor­stel­len.“
    „Ich schon“, sag­te Pe­ri­er.
    „Wel­cher denn?“
    Der an­de­re Mann sag­te je­doch nichts mehr. Er über­leg­te sich, warum je­mand den gan­zen Weg vom Saar­land hier­her auf sich neh­men soll­te, nach­dem die ge­sam­te Saar­ar­mee und die der Loth­rin­ger ver­nich­tet wor­den war. Oder bei­na­he zu­min­dest. Auf ih­rer Sei­te gab es einen Über­le­ben­den: ihn selbst. Pe­ri­er war da­von über­zeugt, daß der Frem­de nach Ver­dun ge­kom­men war, um die­sen Feh­ler aus­zu­bü­geln.
     
     
    Nach­dem mei­ne Schicht zu En­de war, ging ich zum Ar­chiv. Ich war

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