Zeitlabyrinth
Roger.
»Ihr Verhalten gibt uns Rätsel auf«, fuhr der Mann mit kühler, melodischer Stimme fort. »Wir haben Ihren Weg durch das Museum verfolgt. Er erscheint ziellos. Da dies unvereinbar mit Ihrer Persönlichkeit ist, schließen wir, daß Ihre Motive einen Komplexitätsgrad haben, der sich durch kybernetische Analyse nicht erfassen läßt. Es ist daher notwendig, Ihnen einige Fragen zu stellen. Aus diesem Grunde sind wir das Risiko eingegangen, Sie aus dem Kanal zu holen.«
»Meine M – motive?« Roger schluckte. »Aber das versteht ihr ganz falsch.«
»Sie strahlen weiterhin sinnlose Fluchtgedanken und primitive Angst aus«, stellte sein Untersuchungsrichter fest. »Diese Verzögerungstaktik kann nicht geduldet werden.« Blitzartig prickelte Schmerz durch Rogers Glieder.
»Nach welchem Prinzip haben Sie Ihren Weg gewählt?« fragte der Fremde.
»Ich hatte keines!« Roger stieß einen Schrei aus, als der Schmerz ihn von neuem erfaßte.
»Hmmm. Seine Bewegungen entsprechen einem Zufallsfaktor zwölfter Ordnung«, sagte ein anderer Mann. »Offenbar ist die Situation komplexer als wir vermuteten.«
»Sein Auftreten hier zu diesem besonderen Zeitpunkt ist äußerst provozierend«, erklärte ein dritter. »Es legt den Gedanken eines Überwachungsaspekts nahe, den wir bisher in unseren Berechnungen nicht berücksichtigt haben.«
»Er ist offensichtlich ein unglaublich widerstandsfähiges Individuum, das reine psychophysische Reize erträgt, ohne zusammenzubrechen«, meinte ein Mann in Puderblau. »Andernfalls hätte man ihn niemals auf diese mysteriöse Reise geschickt.«
»In diesem Falle können wir sofort mit der mechanischen Gehirnwäsche beginnen«, schlug ein zitronengelber Adonis vor. Man hörte ein leises Klick! und eine weißemaillierte Maschine, die an einen überdimensionalen Zahnarztbohrer erinnerte, schwenkte das stumpfe Vorderende direkt über Roger in Position.
»Halt!« protestierte er und versuchte zurückzuweichen, nur um zu entdecken, daß er gelähmt war – wie festgenagelt. »Was soll das?« stieß er hervor. »Laßt mich hier heraus! Ihr habt ja keine Ahnung! Vielleicht wartete da, wo ich herkam, eine große Sache auf mich. Vielleicht wäre es mir geglückt, einen hochbezahlten, gemütlichen Job zu ergattern. Vielleicht war ich im Begriff, die schönste und reichste Frau des ganzen Mittelwestens zu heiraten! Vielleicht wollte ich gerade in Washington Informationen abliefern, die von ungeheurer Bedeutung für die nationale Sicherheit waren!«
»Was für eine Gedankenabschirmung!« sagte ein Mann in Himbeerrosa bewundernd. Er beobachtete seine Skalen. »Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich darauf schwören, daß wir einen hochgradig Schwachsinnigen mit einem IQ von höchstens hundertvierzig vor uns haben.«
»Na, endlich!« pflichtete Roger ihm bei. »So kommen wir weiter! Ich weiß nicht, für wen mich die Herrschaften halten, aber ich bin es nicht. Ich bin Roger Tyson, Gentleman-Abenteurer –«
»Aber, aber!« sagte der Mann in Blau sanft. »Wollen Sie es wirklich als Zufall bezeichnen, daß Sie ausgerechnet heute – wenn Sie den Ausdruck gestatten – in unserem Museum auftauchen, da wir unsere lange vorbereitete Forschungssonde durch die Nullzeit-Achse schicken wollen?«
»Absolut!« erklärte Roger heftig. »Tatsächlich habe ich nicht die leiseste Ahnung, wo ich mich jetzt befinde. Oder –« Verständnis dämmerte auf seinen Zügen – »in welcher Epoche.«
»Wir zählen das dreiundzwanzigste Jahrzehnt nach der erzwungenen Vereinigung. Etwa zweitausendzweihundertneunundvierzig in der alten Zeitrechnung – als ob Sie das nicht wüßten!«
»Dreihundert Jahre in der Zukunft?« Rogers Stimme versagte. Er schluckte mühsam einen Golfball, der in seinem Hals zu stecken schien. »Das erklärt manches. Ich hätte es mir denken können –«
»Wir schweifen ab, S’lunt«, unterbrach ein Mann in dunklem Purpur. »Die Startzeit rückt näher. Nun rasch, Mann! Wie lautete Ihr Auftrag?«
Etwas bewegte sich dicht hinter den Männern, die ihn umringten, aber Roger bemerkte es kaum. Er spürte im Kreuz einen beharrlich ziehenden Schmerz.
»Erklären Sie die Natur der Bindekräfte, die im Rho-Komplex zusammengefaßt sind!«
Ein schwerer Stiefel trat auf die Spitze eines langen Schwanzes, von dessen Existenz Roger bis jetzt nichts geahnt hatte.
»Definieren Sie Natur und Zuordnungsmatrizen der Impulsleitstrahlen!«
Eine stumpfe Säge amputierte Rogers Geweih. Er blinzelte
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