ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
wusste, dass Nele ihn durchschaut hatte.
Um so erstaunter war er, als er dem Ehepaar Stettner schließlich in deren Wohnzimmer gegenüber saß. Sie wirkten gelassen, das war nicht aufgesetzt, das spürte er. Ohne die Pastorin an seiner Seite hätten sie ihn wahrscheinlich nicht empfangen. Zum Glück kam ihm rechtzeitig die Idee, zuerst sie aufzusuchen. Mit ihr würde er eine Basis finden, das sagte ihm sein Instinkt und er behielt recht.
Kerstin Jankowski hatte ihn ohne Umschweife eingelassen, bot ihm sogar Kaffee an und hörte ihm danach schweigend zu. Sie stellte keine Fragen. In ihrer Nähe fühlte er sich sofort wohl und eine sonderbare Schwingung schien zwischen ihnen zu wirken. Er hätte in ihrer Gegenwart gar nicht lügen und taktieren können, die Situation ließ es nicht zu.
Während er sprach, ruhte ihr Blick unentwegt auf seinem Gesicht. Er wich ihr nicht aus, gab sich der Magie, die feinstofflich im Raum zu spüren war, hin. Er fand sie noch außergewöhnlicher als wenn sie predigte. Es war, als ob sein Herz glückselig seufzte, so ruhig und zufrieden und fern jeglicher Gefahr hatte er sich lange nicht gefühlt.
Am Ende seiner Ausführungen wurde es still. Der Kaffee war inzwischen kalt geworden, unangerührt stand die Tasse vor ihm. Jankowski schien nach innen zu lauschen, dann endlich sprach sie: »Sie sind ein guter Mensch, der es ehrlich meint. Ich weiß Ihre Sorge um uns zu schätzen, sie ist aber völlig unnötig, wie ich Ihnen versichern kann« Noch immer blickte sie ihm ruhig und fest in die Augen. Sonderbar, er wusste, dass das, was sie sagte stimmte. Warum war er nur so besorgt gewesen? Das war völlig unsinnig und fehl am Platz. »Ich schlage vor, wir gehen jetzt zu meinen Freunden rüber, sie dürften um diese Zeit zuhause sein«
Er konnte nur stumm nicken und ihr folgen. Meine Güte, welche Aura, welche Kraft und Wärme umgab diese Predigerin – er hätte jeden ihrer Wünsche erfüllt, augenblicklich. So musste es bestimmt auch anderen Menschen ergehen, die mit ihr zu tun hatten.
Nun also saßen sie zu viert bei Stettners. Kerstin fasste zusammen und resümierte: »Wir sollten Herrn Plätschner dankbar sein, für seine Sorge um uns. Er gehört zu uns, sein Herz hat mit der Seele des Pariser Schädels gesprochen. Markus, würdest du es ihm bitte erklären«
Plätschner war hinterher wie erschlagen. Stettner hatte ihm nichts erklärt, sondern ihm die Informationen quasi übertragen, von Kopf zu Kopf, von Herz zu Herz. Das hatte keine Minute gedauert. Es war ihm so vorgekommen, als ob sie sich alle vier geistig die Hände gereicht und dabei einen Strom von Gefühlen, Erinnerungen und Informationen getauscht hatten.
Danach passierte noch etwas anderes: Markus fokussierte sich geistig auf Nele, deren Struktur er bereits einmal ungewollt gegrokt hatte. Dabei stimmte er einen eigentümlichen Gesang an, dessen Worte Plätschner nicht verstand, dessen Bedeutung ihm aber sofort klar war.
Es ging in dem Lied darum, dass er die Große Kraft darum bat, dass ihnen, wenn es im Interesse und zum Wohle aller geschähe, Wissen und Weisheit zur Abwehr drohender Gefahr gegeben werde. Augenblicklich erhielten sie daraufhin Kontakt zu Neles Ich und konnten aus ihren Erinnerungen die Szenen von Bernauers Andeutungen und Forderungen abrufen. Das Gefühl, das Plätschner dabei überkam, erschreckte ihn nicht mehr, da es ihm mittlerweile vertraut war: diese Grenzenlosigkeit und Aufgabe des eigenen Ichs.
Am nächsten Morgen machte er sich auf den Heimweg zu seiner Redaktion. Birte und Markus hatten ihm, wie selbstverständlich, ein Zimmer für die Nacht angeboten. Plätschner verließ Eckernförde, wie von einer mächtigen Kraft vorangetrieben.
An ihm war es nun, die Menschen zu informieren, sie aufzuklären und vorzubereiten. Er ahnte, dass sich seine Bestimmung, die ihn in jungen Jahren veranlasste Journalist zu werden, nun bald vollendete. Sein Herz glühte; so glücklich und berufen hatte er sich noch nie gefühlt.
Schon morgen würde er in Berlin sein, das war sicher!
29.05.2020; Freitag; 08:13 Uhr/MEZ; Eckernförde-Borby; Birtes Elternhaus
Jens hatte sich nach dem Frühstück verabschiedet, um nach Kiel in seine Redaktion zu fahren. Birte und Markus räumten gemeinsam den Tisch ab. Danach bat sie ihn, sich noch einen Moment zu ihr zu setzen. »Markus, die Sache mit der Öffnung des Dritten Auges, von der wir jetzt wissen, das ist ein weiteres Zeichen –
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