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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Sirene hinter sich hörte, wußte er sofort, daß sie sich entschlossen hatten, ihn zu fassen. Er fuhr nicht langsamer, beschleunigte aber auch nicht. Er wartete, bis er die Gewißheit hatte, daß es ein Motorrad war, kein Auto, das ihn verfolgte. Und er sah nur einen von ihnen.
Jetzt muß ich mein Gefühl für Zeit und Raum einsetzen, sagte er zu sich selbst. Mein großes Talent.
Er schätzte das Verkehrsaufkommen rings um sich ab, die Position und Geschwindigkeit der Fahrzeuge. Als er sich alles eingeprägt hatte, riß er den Wagen scharf nach links, zwischen zwei Autos. Das Fahrzeug hinter ihm bremste; es hatte keine andere Wahl. Ohne Schwierigkeiten hatte er den Kombi in die dichte Kolonne hineingezwängt. Dann betätigte er sich rasch hintereinander immer wieder als Kolonnenspringer, bis er vor einen riesigen Sattelzug fuhr, der ihn vor allen Verfolgern verbarg. Inzwischen heulte die Sirene weiter. Er konnte nicht mehr genau sagen, wo das Motorrad war. Und er hat mich zweifellos aus den Augen verloren, dachte er.
Zwischen dem Sattelzug und der Limousine vor ihm waren seine Heckleuchten nicht zu sehen. Und nachts konnte sich der Polizist nur an die Heckleuchten halten.
Schlagartig schoß das Motorrad auf der linken Fahrspur vorbei. Der Polizist drehte den Kopf und erkannte ihn, aber er konnte nicht an den Kombi heran; er mußte weiterfahren. Der Verkehr hatte nicht angehalten. Die Fahrer wußten nicht, wer verfolgt wurde; sie glaubten, der Motorradfahrer wolle weiter nach vorn.
Jetzt wird er auf mich warten, vermutete Ragle. Auf der Stelle wechselte er die Fahrspur ganz nach links, so daß zwischen ihm und dem Motorrad auf zwei Fahrspuren Kolonnen fuhren. Er wird am Bankett stehen. Ragle verlangsamte das Tempo, so daß die Fahrzeuge hinter ihm sich veranlaßt sahen, rechts zu überholen. Der Verkehr auf der rechten Seite wurde dicht.
Für einen Augenblick konnte er das Motorrad auf dem Bankett sehen. Der uniformierte Polizist schaute sich um. Er sah den Kombi nicht, und Sekunden später war Ragle in Sicherheit. Weit vorbei. Nun gab er Gas; zum erstenmal überholte er den anderen Verkehr.
Bald sah er die Ampel, die er suchte.
Aber er sah die Seaside-Station nicht, die er aufsuchen sollte.
Merkwürdig, dachte er.
Ich fahre lieber von der Autobahn herunter, sagte er sich. Damit ich nicht wieder angehalten werde. Vielleicht habe ich gegen irgend etwas verstoßen; der Kombi hat sicher nicht die richtigen Rückstrahler, oder es ist sonst irgend etwas zu beanstanden. Irgendeine Ausrede eben, damit die Maschinerie in Bewegung gesetzt werden und man sich auf mich stürzen kann.
Ich weiß, das ist meine Psychose, sagte er sich, aber ich will trotzdem nicht gefaßt werden.
Er gab ein Handzeichen und verließ die Autobahn. Der Kombi holperte über einen ungeteerten Weg. Als er zum Stillstand kam, schaltete er Licht und Motor aus. Niemand wird mich bemerken, sagte er sich. Aber wo, zum Teufel, bin ich? Und was mache ich nun?
Er verdrehte den Hals und suchte vergeblich nach der Seaside-Station. Die Querstraße an der Ampel verschwand in der Dunkelheit, nur auf wenige hundert Meter beleuchtet. Nichts zu machen. Ein Nebenweg. Das hier ist die große Straße, die aus der Stadt hinausführt.
In großer Ferne, an der Autostraße, waren einige Neonleuchten zu erkennen.
Da fahre ich hin, entschied er. Oder kann ich das Risiko eingehen, auf die Autobahn zurückzukehren?
Er wartete, bis er die Autoschlange herankommen sah, dann gab er Gas und schoß auf die Straße. Wenn ein Polizist unterwegs war, würde er seine Heckbeleuchtung unter den anderen nicht erkennen.
Einen Augenblick später erkannte Ragle die Neonschrift als Reklame einer Raststätte. Ein kurzes Aufblitzen: der Parkplatz, Kies. Hohes Schild ›Frank’s Grill & Drinks‹. Beleuchtete Fenster eines fünfeckigen, einstöckigen Gebäudes, moderner Stil. Nur wenige Autos parkten. Er blinkte und sauste von der Straße auf den Parkplatz. Der Kombi kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen, einen halben Meter von der Hauswand entfernt. Mit zitternden Händen legte er den ersten Gang ein und lenkte den Kombi um das Haus herum nach hinten, zwischen die Mülltonnen und Kistenstapel am Liefereingang.
Als er ausgestiegen war, ging er nach vorn, um festzustellen, ob das Fahrzeug zu sehen war. Nein, nicht von der Fernstraße aus. Nicht von einem vorbeifahrenden Wagen aus. Und wenn jemand fragte, brauchte er nur zu behaupten, er habe mit dem Kombi nichts zu tun. Wie wollte man beweisen,

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