Zeitlose Zeit
stören? Sag ruhig, wenn es nicht geht.«
Er öffnete die Tür, froh um eine Pause.
»Junie Black möchte mit dir sprechen«, sagte Margo. »Sie schwört, daß sie nur eine Minute bleiben will; ich habe ihr gesagt, daß du noch nicht fertig bist.« Sie winkte, und Junie Black kam aus dem Wohnzimmer. »Ganz aufgedonnert«, sagte sie.
»Ich gehe in die Stadt einkaufen«, erklärte Junie. Sie trug ein rotes Strickkostüm, Strümpfe und hochhackige Schuhe, und einen halblangen Mantel um die Schultern; sie war frisch frisiert und stark geschminkt. Ihre Augen wirkten sehr dunkel, ihre Wimpern auffallend lang. »Mach die Tür zu«, sagte sie zu Ragle und kam herein. »Ich will mit dir reden.«
Er schloß die Tür.
»Hör zu«, sagte Junie. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja.«
»Ich weiß, was mit dir passiert ist.« Sie legte die Hände auf seine Schultern, dann bog sie sich gequält zurück. »Der Teufel soll ihn holen!« sagte sie. »Ich habe ihm gesagt, ich verlasse ihn, wenn er dir etwas tut.«
»Bill?«
»Er ist verantwortlich. Er hat dich beschatten und verfolgen lassen; er hat Privatdetektive beauftragt.« Sie ging ruhelos im Zimmer herum. »Man hat dich mißhandelt, nicht?«
»Nein«, sagte er. »Ich glaube nicht.«
Sie überlegte.
»Vielleicht wollte man dir nur einen Schrecken einjagen.«
»Ich glaube nicht, daß das etwas mit deinem Mann zu tun hat«, sagte Ragle zögernd. »Oder mit dir.«
Junie schüttelte den Kopf.
»Doch, ich weiß es. Ich habe das Telegramm gesehen, das er bekommen hat. Als du verschwunden warst, bekam er ein Telegramm – ich sollte es nicht sehen, aber ich habe es ihm weggerissen. Ich weiß noch genau, was da stand. Es ging um dich. Eine Meldung über dich.«
»Was stand in dem Telegramm?«
Sie nahm sich zusammen und sagte: »Da stand: ›Vermißten Kombi gesichtet. Gumm an Grill vorbeigefahren. Jetzt sind Sie an der Reihe.‹«
»Bist du sicher?« fragte er, weil er ihre Art kannte.
»Ja«, sagte sie. »Ich habe es mir eingeprägt, bevor er es wieder an sich nahm.«
Lastwagen der Stadtwerke, dachte er. Die olivgrünen Fahrzeuge draußen waren nicht weggefahren. Die Männer rissen immer noch das Pflaster auf.
»Bill hat keine Verbindung zum Straßenamt, oder?« fragte er. »Er schickt die Wagen nicht hinaus?«
»Ich weiß nicht, was er bei den Wasserwerken macht«, sagte Junie. »Und es ist mir auch egal, Ragle. Hörst du? Es ist mir egal. Ich will nichts mehr von ihm wissen.« Sie lief plötzlich auf ihn zu, schlang die Arme um ihn und sagte ihm laut ins Ohr: »Ragle, ich habe mich entschieden. Mit dieser Geschichte, diesem schrecklichen Rachefeldzug von ihm, ist Schluß. Bill und ich sind miteinander fertig. Schau.« Sie zog den linken Handschuh aus und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Siehst du?«
»Nein.«
»Mein Ehering. Ich trag ihn nicht.« Sie zog den Handschuh wieder an. »Ich bin herübergekommen, um dir das zu sagen, Ragle. Weißt du noch, wie wir beide miteinander im Gras lagen, du mir Gedichte vorgelesen und mir gesagt hast, daß du mich liebst?«
»Ja«, sagte er.
»Mir ist egal, was Margo oder die anderen sagen«, erklärte Junie. »Ich bin heute nachmittag um halb drei bei einem Anwalt angemeldet. Ich will Bill verlassen. Dann können wir beide für unser ganzes Leben zusammen sein, und niemand kann sich einmischen. Und wenn er wieder zu seinen brutalen Mitteln greift, rufe ich die Polizei.« Sie griff nach ihrer Handtasche und öffnete die Tür.
»Du gehst?« fragte er, ein wenig verwirrt.
»Ich muß in die Stadt. Sie schaute sich in der Diele um, dann spitzte sie die Lippen zum Kuß. »Ich versuche, dich heute noch anzurufen«, flüsterte sie ihm zu. »Um dir zu verraten, was der Anwalt gesagt hat.« Die Tür fiel hinter ihr zu, und er hörte sie hinausstöckeln. Dann sprang draußen ein Motor an. Sie war fort.
»Was war denn das?« fragte Margo in der Küche.
»Sie ist aufgeregt«, sagte er. »Streit mit Bill.«
»Wenn du für die ganze Menschheit wichtig bist, müßtest du etwas Besseres finden als sie.«
»Hast du Bill gesagt, daß ich weggegangen war?«
»Nein«, sagte sie. »Aber ihr. Sie tauchte hier auf, als du fort warst. Ich sagte, ich mache mir zu große Sorgen um dich, als daß ich auf das achten könnte, was sie zu sagen hätte. Ich glaube, es war nur eine Ausrede von ihr, um dich sprechen zu können. Sie wollte gar nicht mit mir reden.« Sie trocknete sich die Hände an einem Papiertuch. »Jetzt hat sie ganz gut ausgesehen. Äußerlich
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