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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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persönliche Dinge in Schubladen, Kleidung in Schränken ... was würde ihm am meisten verraten?
Am Hintereingang blieb er stehen. Er hatte das Ende des Hauses erreicht. Eine Waschmaschine, ein Schrubber, eine Packung Seife, ein Stapel Zeitschriften und Zeitungen.
Er griff in den Stapel, zerrte eine Handvoll heraus, warf sie hin, schlug sie aufs Geratewohl auf.
Das Datum einer Zeitung ließ ihn erstarren; er stand da und hielt sie in der Hand.
10. Mai 1997.
Fast vierzig Jahre voraus.
Er überflog die Schlagzeilen. Sinnloser Wirrwarr vereinzelter Banalitäten: ein Mord, Anleihe für Parkplatzbau, Tod eines berühmten Wissenschaftlers, Aufstand in Argentinien.
Und unten die Schlagzeile:
    ERZLAGER AUF DER VENUS THEMA FÜR STREIT
    Verfahren im internationalen Gerichtswesen über die Eigentumsrechte auf der Venus ... er las, so schnell er konnte, dann warf er die Zeitung hin und wühlte in den Zeitschriften.
Ein Exemplar der TIME, mit dem Datum 7. April 1997. Er rollte es zusammen und steckte es in die Hosentasche. Mehr Exemplare von TIME; er riß sie an sich, blätterte darin, versuchte alles auf einmal zu lesen, etwas zu erfassen und zu behalten. Mode, Brücken, Gemälde, Medizin, Eishockey – alles, die Welt der Zukunft, ausgebreitet in sorgfältiger Prosa. Gedrängte Zusammenfassungen aller Zweige der Gesellschaft, die es noch nicht gab ...
Die es schon gab. Die es jetzt gab.
Das war ein zeitgenössisches Magazin. Das war das Jahr 1997. Nicht 1959.
Das Geräusch eines Autos, das draußen hielt, veranlaßte ihn, den Rest der Zeitschriften an sich zu reißen. Ein Arm voll ... er öffnete die Hintertür.
Stimmen. Im Hof waren Männer unterwegs; ein Licht blitzte auf. Sein Stapel Zeitschriften prallte an die Tür, und die meisten fielen auf den Boden. Er kniete nieder und raffte sie auf.
»Da ist er«, sagte eine Stimme, und das Licht drehte sich in seine Richtung und blendete ihn. Er drehte ihm den Rücken zu, hob eines der Exemplare der TIME auf und starrte auf das Titelbild.
Auf dem Titel von TIME, mit dem Datum 14. Januar 1996, war sein Bild. Ein Porträt in Farbe. Darunter stand:
    RAGLE GUMM – MANN DES JAHRES
    Er setzte sich auf die Stufen, schlug die Zeitschrift auf und fand den Artikel. Fotos von ihm als Baby. Seine Eltern. Er als Schüler. Er blätterte wie wild. Er, wie er jetzt aussah, nach dem Zweiten Weltkrieg, oder welcher Krieg es auch gewesen sein mochte, in dem er gekämpft hatte ... in Uniform, in die Kamera lächelnd.
Eine Frau, die seine erste Ehefrau war.
Und dann eine große Aufnahme mit den hohen Türmen und Minaretten einer Industrieanlage.
Das Magazin wurde ihm aus der Hand genommen. Er hob den Kopf und sah zu seiner Verblüffung, daß die Männer, die ihn hoch- und weghoben, vertraute graue Overalls trugen.
»Achtung, das Tor«, sagte einer.
Er sah dunkle Bäume, Männer, die auf Blumenbeete traten und Blumen zerquetschten, Lichtstrahlen, die sich auf die Straße richteten. Und auf der Straße abgestellte Lastwagen mit laufenden Motoren und aufgeblendeten Scheinwerfern. Olivgrüne Lastwagen, eineinhalb Tonnen. Auch vertraut. Wie die Overalls.
Stadtfahrzeuge. Lastwagen der Stadtwerke.
Dann hielt ihm einer der Männer etwas ans Gesicht, eine Plastikkugel, die der Mann mit den Fingern zusammenquetschte. Die Kugel platzte und wurde zu Gas.
Ragle Gumm, von vier Männern festgehalten, blieb nichts anderes übrig, als das Gas einzuatmen. Eine grelle Lampe trieb gelben Rauch und blendendes Licht in sein Gesicht; er schloß die Augen.
»Tut ihm nicht weh«, murmelte eine Stimme. »Seid vorsichtig mit ihm.«
Das Metall des Fahrzeugs unter ihm war kalt und feucht. So, als sei er in einen Kühltank verladen worden, dachte er. Gemüse vom Land, das in die Stadt gebracht wurde, für den Markt.
    10
    Warmer Morgensonnenschein leuchtete grell in sein Schlafzimmer. Er legte die Hand auf die Augen; es war ihm übel.
»Ich ziehe die Jalousien herunter«, sagte eine Stimme. Er erkannte sie und öffnete die Augen. Victor Nielson stand an den Fenstern und ließ die Rolläden herunter.
»Ich bin wieder da«, sagte Ragle. »Ich habe nichts erreicht. Gar nichts.« Er erinnerte sich an das Laufen, bergauf, durch Gebüsch. »Ich bin weit hinaufgekommen«, sagte er. »Fast bis ganz oben. Aber dann haben sie mich wieder hinuntergerollt.« Wer? fragte er sich. Laut sagte er: »Wer hat mich zurückgebracht?«
»Ein stämmiger Taxifahrer, der zweieinhalb Zentner gewogen haben muß. Er hat dich einfach zur Tür hereingetragen

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