Zeitoun (German Edition)
habe ein Problem«, sagte Zeitoun. »Ein Mann im Rollstuhl braucht Hilfe, medizinische Versorgung. Und zwar sofort.«
»Okay, wir kümmern uns drum«, sagte der Mann.
»Soll ich Ihnen die Adresse geben?«, fragte Zeitoun.
»Ja, klar, lassen Sie hören«, sagte der Mann und klappte ein kleines Notizbuch auf.
Zeitoun nannte ihm die genaue Adresse.
Der Mann schrieb sie auf und steckte das Notizbuch zurück in die Tasche.
»Sie werden also hinfahren?«, fragte Zeitoun.
»Klar«, sagte der Mann.
»Wann?«, fragte Zeitoun.
»In etwa einer Stunde«, sagte der Mann.
»Alles klar. Die kommen euch holen«, sagte Zeitoun. »In etwa einer Stunde, haben sie gesagt.«
Der Pastor und seine Frau dankten Zeitoun, und er kehrte zu dem Haus auf der Claiborne zurück. Er holte Nasser ab, und sie fuhren los, um zu sehen, was sie tun konnten. Es war erst kurz nach ein Uhr.
Eintausend Meilen entfernt fuhr Yukos Mann Ahmaad den Odyssey. Kathy ruhte sich aus, und die Kinder saßen hinten, während sie durch New Mexico brausten. Ahmaad saß seit sieben Stunden ohne Pause am Steuer. Wenn sie weiter so gut vorankamen, würden sie Samstagnachmittag in Phoenix eintreffen.
Ahmaad hielt Kathy davon ab, sich Nachrichten im Radio anzuhören, doch selbst die Musiksender brachten immer wieder Kurzmeldungen: Präsident Bush besuchte gerade New Orleans und hatte sich soeben bedauernd darüber geäußert, dass das Sommerhaus von Senator Trent Lott an der Küste von Mississippi zerstört worden war. Schwer bewaffnete Nationalgardisten waren in das Convention Center eingedrungen, und obwohl sie Grund zu der Befürchtung gehabt hatten, dort auf kampfwütige Guerillas zu treffen, waren sie auf keinerlei Widerstand gestoßen, sondern lediglich auf erschöpfte und hungrige Menschen, die nur eines wollten, nämlich raus aus der Stadt. Kathy fand das tröstlich und hoffte, dass sich die Zustände in der Stadt allmählich beruhigten. Ein Kommentator sagte, die Militärpräsenz würde schon bald »überwältigend« sein.
Auf ihrer Patrouillenfahrt stießen Zeitoun und Nasser auf einen verlassenen Militärjeep, in dem sie eine Kiste mit Notrationen fanden. Kurz darauf sahen sie eine fünfköpfige Familie auf einer Überführung und gaben ihnen ein paar Flaschen Wasser und die Notrationen. Es war ein glücklicher Zufall. Zeitoun wollte nichts bei sich haben, das irgendwie von Wert war, und freute sich über jede Gelegenheit, die Dinge loszuwerden, die er gefunden hatte.
Gegen fünf Uhr, als der Himmel schon dunkel wurde, kehrten Zeitoun und Nasser zum Claiborne-Haus zurück.
Zeitoun war sicher, dass der Pastor und seine Frau inzwischen längst abgeholt worden waren, aber um ganz sicherzugehen, machten er und Nasser noch einen kleinen Umweg und paddelten zur Robert Street hinüber.
Alvin und Beulah waren immer noch da, im leichten Nieselregen auf der Veranda, mit gepackten Taschen. Sie warteten seit vier Stunden.
Zeitoun war wütend. Er fühlte sich hilflos, verraten. Er hatte dem Pastor und seiner Frau etwas versprochen, und weil man ihn angelogen hatte, war sein Versprechen nicht gehalten worden.
Er entschuldigte sich bei dem Ehepaar, erklärte den beiden, dass er es zuerst am Krankenhaus versucht hatte, aber mit vorgehaltener Waffe weggeschickt worden war, dass er dann zur St. Charles gepaddelt war und den Soldaten und Hilfskräften von ihrer Notlage erzählt hatte. Der Pastor war zuversichtlich, dass noch Hilfe kommen würde, doch Zeitoun wollte kein Risiko eingehen.
»Ich lass mir was einfallen«, sagte er.
Als er und Nasser das Claiborne-Haus erreichten, sahen sie ein kleines Motorboot, das an der Veranda vertäut war. Sie gingen ins Haus, und da saß Todd Gambino mit einem Hund. Er hatte das Boot unter einer zerstörten Garage treiben sehen und beschlossen, Gebrauch davon zu machen. Dann hatte auch er Runden durch die Stadt gedreht, Leute von Veranden und Hausdächern geholt und sie zu Überführungen und anderen sicheren Plätzen gebracht. Den Hund, der jetzt zufrieden zu Todds Füßen lag und fraß, hatte er auf einem Dach entdeckt und mitgenommen.
Wieder verspürte Zeitoun das Wirken einer göttlichen Hand. Die Williams’ brauchten unverzüglich Hilfe, Hilfe, die er ihnen nicht hatte geben können, und auf einmal war Todd da, genau im richtigen Moment, mit genau dem Fahrzeug, das sie brauchten.
Todd zögerte keine Sekunde. Zeitoun versprach, sich so lange um den Hund zu kümmern, und schon machte Todd sich auf den Weg. Er holte Alvin
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