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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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wusste, dass der Koran Gläubigen erlaubte, sich – wenn auch nur symbolisch – mit Staub zu reinigen, falls kein Wasser vorhanden war. Und so machten sie es. Sie nahmen Schotter vom Boden auf und rieben ihn sich über Hände und Arme, Kopf und Füße. Dann knieten sie nieder und verrichteten die Salaat. Zeitoun wusste, dass ihre Gebete die Aufmerksamkeit der Wachen erregten, aber er und Nasser ließen sich nicht beirren.
    Als es ganz dunkel wurde, gingen die Lichter an, Flutlichtlampen über ihnen und auf dem Gebäudedach gegenüber. Die Nacht wurde finsterer und kühler, aber die Lichter blieben an, heller als der Tag. Die Männer bekamen keine Laken, Decken oder Kissen. Als ein anderer Soldat die Wache übernahm und sich auf den Stuhl vor ihrem Käfig setzte, fragten sie ihn, wo sie denn schlafen sollten. Er antwortete, sie könnten sich hinlegen, wo sie wollten, solange er sie sehen könne.
    Zeitoun wollte in der Nacht gar nicht schlafen, er wollte wach bleiben für den Fall, dass irgendeine Aufsichtsperson, ein Anwalt oder ein sonstiger Zivilist vorbeikam. Die anderen Männer streckten sich, den Kopf in die Armbeuge gelegt, auf dem Boden aus. Keiner konnte schlafen. Wann immer einer von ihnen so weit war, dass ihm die Augen zufielen, verhinderte der Lärm der Lok, der vibrierende Boden, dass er einschlief. An diesem Ort konnte es keinen Schlaf geben.
    Irgendwann in den frühen Morgenstunden versuchte Zeitoun, sich bäuchlings über die Stahlstange zu legen. Auf diese Weise fand er einen kurzen Moment Ruhe, aber er konnte die Position nicht beibehalten. Er versuchte, sich mit dem Rücken dagegenzulehnen, die Arme verschränkt. Doch es funktionierte nicht.
    Bisweilen kamen andere Wachen mit ihren Schäferhunden vorbei, doch ansonsten verlief die Nacht ereignislos. Da war nur das Gesicht der Wache mit dem M-16-Gewehr neben sich und das Flutlicht, das jeden Winkel ausleuchtete und die Gesichter von Zeitouns Mitgefangenen anstrahlte, alle abgespannt, erschöpft, halb verrückt vor Müdigkeit und Verwirrung.
    MITTWOCH , 7. SEPTEMBER
    Als sich das erste Morgenlicht am Himmel zeigte, hatte Zeitoun eine schlaflose Nacht hinter sich. Er hatte gelegentlich die Augen für ein paar Minuten geschlossen, aber keinen Schlaf gefunden. Er war nicht bereit gewesen, sich auf den nackten Boden zu legen, aber selbst wenn er sich dazu überwunden hätte, selbst wenn er die Panik bei dem Gedanken an seine Situation, seine Familie, sein Haus hätte niederringen können, das Dröhnen der Lok hätte ihn wach gehalten.
    Er sah zu, wie die Nachtwache von einem anderen Mann abgelöst wurde und ging. Der Gesichtsausdruck des neuen Wachmanns war der gleiche wie der seines Vorgängers, als hielte er die Männer im Käfig ganz selbstverständlich für schuldig.
    Zeitoun und Nasser verrichteten ihre Wudu’ und ihre Salaat, und als sie fertig waren, starrten sie die Wache an, die zurückstarrte.
    Als der Himmel sich aufhellte, wurde Zeitoun munter, sogar optimistisch. Er nahm an, dass die Lage in der Stadt mit jedem Tag, der verging, stabiler werden würde, dass die Regierung bald Hilfe schicken würde. Und mit dieser Hilfe würde das Chaos eingedämmt werden, durch das er in diesem Käfig gelandet war, und das Missverständnis, das hier offenbar vorlag, könnte aufgeklärt werden.
    Zeitoun redete sich ein, dass der gestrige Tag eine Verirrung gewesen war, dass der heutige die Rückkehr zu Vernunft und Ordnung bringen würde. Man würde ihm erlauben zu telefonieren, würde ihm sagen, was ihm zur Last gelegt wurde, würde ihn vielleicht sogar mit einem Anwalt oder Richter sprechen lassen. Er würde Kathy anrufen, und sie würde den besten Anwalt engagieren, den sie finden konnte, und in ein paar Stunden wäre das Ganze vorbei.
    Die anderen Männer im Käfig, die im Laufe der Nacht alle ein wenig Schlaf gefunden hatten, erwachten einer nach dem anderen, standen auf und streckten sich. Das Frühstück wurde gebracht. Wieder waren es Militärrationen, diesmal mit Schinkenscheiben darin. Zeitoun und Nasser aßen, was ihnen erlaubt war, und gaben Todd und Ronnie den Rest.
    Als das Gefängnis erwachte, sah sich Zeitoun die Käfige genauer an. Der Stacheldraht war neu, die mobilen Toilettenhäuschen ebenfalls. Die Einzäunung war neu und von guter Qualität. Er wusste, dass vor dem Sturm nichts davon hier gewesen war. Der Bahnhof von New Orleans war noch nie als Gefängnis genutzt worden. Er stellte im Geist ein paar grobe Berechnungen an.
    Um das

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