Zeitreise ins Leben (German Edition)
Wein hinterher und auch ich blickte mit glänzenden Augen zu Ra i mund.
„Otto IV und ich waren wie Brüder. Ich sollte ein Auge auf ihn, die Politik und die Me n schen haben – sprich, ein stiller, aber umso besserer Verbündeter für ihn sein. Seit der Do p pelwahl, mit dem umstrittenen Kontrahenten Philipp von Schwaben, waren Verbündete wic h tiger denn je. A u ßerdem bahnten sich bereits Probleme mit Papst Innozenz III an.“ Raimund erzählte flüssig und ich versuchte mich zu konzentrieren, verfluchte mich aber im Stillen für mein historisches Unwissen. Nichts von seinen Erzählungen weckte einen Funken Erinn e rung. Dabei wäre gerade jetzt etwas mehr geschichtliches Wissen hilfreich gewesen.
„Aber gegen die Politik des Landes konnte ich nicht wirklich etwas ausrichten. Otto hatte in seiner Mission, Sizilien zu erobern, den Anwärter Friedrich vollkommen unterschätzt. Frie d rich konnte sich mit einer Schar von Templern widersetzen und sogar behaupten . U nd wie der Teufel es wollte, wurde er kurz darauf sogar zum so genannten anderen Kaiser ausger u fen. Einen Titel, den er sich natürlich erst bestätigen lassen wird. Seit Anfang des Jahres pocht Friedrich auf sein Recht und lässt keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass er der direkte Gesandte des Papstes ist. Inzwischen musste Otto IV sich sogar vollkommen z u rückziehen, um einer weiteren Niederlage zu entgehen. Man munkelt bereits, dass er nach Italien geflüchtet ist, auch wenn das nicht bewiesen ist. Und in der Zwischenzeit erlangt Friedrich mit jedem Tag mehr Macht. Alle Untertanen Ottos mussten ihm bereits ihre Treue schwören oder aber das Land in Schande verla s sen.“ Raimunds Miene verfinsterte sich und obwohl mir der Kopf rauchte von so viel Informat i on, war doch klar, dass mit dem Einzug Friedrichs sein Leben eine Wendung zum Schlechten genommen hatte.
„Und sie taten es “, ergänzte er mit verbissene r Miene . „Die meisten Edelleute haben dem neuen Emporkömml ing ihren Treueschwur geleistet, e benso wie ich. Trotzdem gab es ab dem Zeitpunkt für mich nichts mehr zu lachen . Seit meinem Schwur hatte ich diesen Mann wie den Te u fel höchstpersönlich im Nacken sitzen. Die Gegend um Hagenau, musst du wissen, liegt nicht allzu weit entfernt von meinen Länderei e n . Und genau dort hat sich seine Majestät niedergelassen. Sprich, wann immer er Gelegenheit hatte, wurde ich zu ihm zitiert . Ständig verlangte er nach meiner Anwesenheit.“
„Wieso?“, fragte ich.
„Der Mann konnte mic h von Anfang an nicht ausstehen “, antwortete er grimmig und mit einem Ernst in den Augen, der zeigte, wie viel mehr noch dahinter steck en musste . „Zumi n dest dac h te ich das zu Beginn. Ich nahm an, dass seine Missgunst auf meine Freundschaft zu Otto IV z u rückzuführen war, obwohl ich wie die anderen den Eid geleistet hatte. Das mag vielleicht nicht leicht zu verstehen sein, aber ein Schwur ist ein Schwur und der erfolgt au f richtig und ernsthaft! Nachdem Otto geflo hen war, lag es nahe einem neuen Her r scher di e Treue zu schwören. Daher war dieser Eid an Friedrich kein Treuebruch gegenüber Otto, so n dern eher eine Selbstverständlichkeit, ein Zuspruch an die Veränderungen des L e bens. Aber was soll ich sagen! Meine Befürchtungen bestätigten sich in vielen Kleini g keiten und selbst in Diskussionen. Einerseits schien es dem König zu gefallen, dass ich meine Meinung unve r blümt zum Ausdruck brachte , a ndererseits beschlich mich immer wieder das Gefühl, er kö n n e an mir auf eine Weise interessiert sein , die ich zwischen Männern nie wirklich ve r standen habe.“
„Ich wu sste es “, platzte ich heraus und griff erneut nach dem Weinglas. „Irgendwie habe ich es dem schönen König angesehen “, meinte ich und machte einen kräft i gen Schlu ck. Doch selbst der Wein konnte den plötzlich bitteren Geschmack aus meinem Mund nicht vertreiben . Ich war eifersüchtig und das so stark , dass es mich ärgerte.
„Wirklich?“, fragte Raimund überrascht. „Nun, außer dir hat das bisher ni e mand bemerkt! Kein Mensch hätte die Bedrängnis verstanden, die mir der König bereitet hat und vor allem weiterhin bereiten wollte. Seine Neigung war niemanden bekannt, insbesondere, weil er doch als
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