Zeitreise ins Leben (German Edition)
ich eine neue Fre i heit errungen und meine blütenreine Weste endlich einmal beschmutzt. Es war verrückt, keine Frage, aber ich fühlte mich großa r tig dabei. Grinsend ging ich weiter und hörte alsbald leises Klappern von Geschirr und den Gesang einer Frau. Als ich die Türe schließlich entdeckte, hinter der ich die Geräusche ve r mutete, verdrängte ich jedes Bedürfnis umzudrehen, eine Toilette zu suchen oder noch ei n mal blöd „Hallo?“ zu r u fen. Ich klopfte einfach an.
„Komm nur, Kindchen! Keine Scheu“, ertönte eine rauchige Stimme, die mich an Rosa eri n nerte , obwohl sie eine Spur tiefer klang. Mit etwas Anstrengung öffnete ich die schwere Tür und trat ein. Zu allererst bemerkte ich den herrlichen Duft, dann die heimelige Atmosphäre des Raums. Er war etwas größer als mein Zimmer und hatte ein paar Einrichtungsgegenstä n de mehr. In einem großen Stuhl, nicht unweit vom Kamin, saß eine ältere , weißhaarige Dame , die aussah wie die ältere Ausgabe von Rosa . Freundlich l ä chelte sie mir zu.
„Komm näher und lass dich einmal anschauen “ , forderte sie mit herzlich l a chenden Augen und nahm mir jede Scheu. Noch während ich umständlich zu ihr hinüber wankte, bomba r dierte ich sie bereits mit all den Fragen, die mir schon die ganze Zeit auf den Lippen bran n ten.
„Guten Morgen! Können Sie mir bitte sagen wo ich bin und wo meine Sachen sind? Ich kann mir gar nicht erklären wie viel Zeit vergangen ist seit meiner angeblichen Ohnmacht . Und wurden vielleicht meine Eltern verständigt? Außerdem würde ich gerne wissen, wie ich wieder nach Hause komme. Und ...“ Am liebsten hätte ich noch viel mehr gefragt und auch gefordert, d och an ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich , dass sie mein Red e schwall ziemlich überforderte.
„Aber, aber Kindchen, nur mit der Ruhe! Ich ve r stehe schon, d ass du verwirrt bist. Aber lass dir etwas Zeit, oder besser … lass mir ein wenig Zeit. Ich werde dir alles bei einer Tasse Tee erklären. Komm , setz dich zu mir. Aber vorher gebe ich dir noch einen Umhang, d a mit du die dumme Decke ablegen kannst. Du kannst dich ja kaum rühren in dem Ding.“ Überr a schend flink stand sie von Ihrem Sessel auf und holte von Ihrem Bett einen roten U m hang.
Wahrscheinlich das gleiche Material wie bei den Samtvorhänge n … dac h te ich und witzelte in Gedanken, dass irgendein Innenarchitekt-Schnösel s eine n persönlichen Samt-Tick ausgelebt hatte . V ermutlich hatte er das ganze Gebäude mit diesem Stoff versorgt. Bettvorhänge, Tisc h decken, Umhänge , Eierwärmer – weiß der Kuckuck was ihm noch alles eingefallen war. N a türlich fand ich die Vorstellung nur des halb so lustig, weil dann wenigstens jemand anderer den Kna l ler hatte und nicht ich .
„Nun, mein Name ist Hanna und ich heiße dich herzlich auf Tsor willkommen “, meinte die ältere Frau, nachdem sie mir den Umhang übergestreift hatte und die Hand reichte .
„Elis a beth! Sehr erfreut“ , antwortete ich und schüttelte kurz ihre Hand.
„Also, Elisabeth, ich weiß nicht genau wie viel du von all dem hier weißt . Meine Tochter l ässt eine gute Seele manchmal recht überstürzt aufbrechen.“ Ihr fragender Blick traf mich recht unvorbereitet, denn ich wusste ja nicht einmal wovon sie sprach . „ Weißt du in deiner Zeit ist alles so hektisch und übertrieben schnell. Schnell dies und noch schneller das. Dabei macht so etwas keinen Sinn und läuft dem Leben und seinem Rhythmus zuwider . Je älter ein Mensch wird , desto langsamer sollte sein Tempo sein und nicht etwa schneller, schneller und noch schneller . Die Leute wissen ja gar nicht mehr richtig zu l e ben , haben ein Burnout nach dem anderen und sind sowieso nur noch unzufrieden “, feixte sie , obwohl mir gerade einfiel, wie schnell sie sich vorhin für ihr Alter aus dem Sessel bewegt hatte. Allem Anschein nach meinte sie also eine andere Art von G e schwindigkeit.
„Also, Kindchen, pass jetzt genau auf!“ Sie wirkte beinahe so, als wäre sie durch meine simplen Gedanken gestört worden. „Meine Tochter lebt in deiner Zeit “, begann sie und machte eine Pause indem sie extra lange an ihrem herrlich duftenden Tee nippte . „Und daraus musst
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