Zeitreise ins Leben (German Edition)
gekostet! Aber um das ve r ständlich zu machen, muss ich wohl etwas weiter ausholen. Ich unterrichtete damals Hei n richs Vater und Raimund in Wissenschaft und Philosophie. Heinrich hatte dafür nie Int e resse und, um ehrlich zu sein, es fehlte ihm auch an der nötigen Ausdauer. Dafür konnte ich mir a n jenem Tag ein erschütterndes Bild davon machen, woran der werte Sohn wirklich I ntere s se hatte .“ Ärgerlich strich er sich seine Hand an der Kutte trocken und schü t telte den Kopf. „Ich bin mehr oder weniger zufällig über die beiden Liebenden gestolpert, weil ich Heinrichs Vater suchte. Doch in der Schlafkammer fand ich Heinrich in leidenschaftlicher Arbeit ... d i rekt auf seiner Mutter. Der Schreck sitzt mir heute noch tief in den Kn o chen, denn er nahm sich die Zeit, sein Werk zu vollenden, ehe er von seiner beschämten Mutter abließ und sich wutentbrannt auf mich stürzte. Ohne zu zögern, ließ er mich in den Kerker werfen und au s peitschen. Höchstpersönlich prügelte er mir das Versprechen aus dem Leib, niemals ein Ste r benswörtchen von dem Vorfall zu erzählen. Er war ein böser Mensch, dieser Heinrich und er hätte mich in jener Nacht beinahe umgebracht.“ Bonifazius seufzte schwer und seine A u gen waren traurig auf mich gerichtet. Die Erinnerung übermannte ihn und er konnte für e i nen Moment nicht weitersprechen.
„So kam der Vorfall nie an die Öffentlichkeit, denn einem Tyrannen wie Heinrich kann man kaum die Stirn bieten. Insgeheim hoffte ich wohl auf eine einmalige, fehlgeleitete Leide n schaft. Doch dem war nicht so. Es gab ständig Anzeichen und Hinweise ... u nd irgendwann b e merkte ich an Raimunds verändertem Verhalten, dass er ebenfalls davon wissen musste. Vielleicht war es sogar seine eigene Mutter , die ihm alles gebeichtet hatte, um ihr Gewissen zu erleichtern. Er wirkte zunehmend verstört und zog sich immer mehr in sich z u rück. Wenn diese bedauernswerte Frau es ihm tatsächlich gesagt hat und im Grunde kann es nur so g e wesen sein, dann hatte sie wohl keine Ahnung, wie sehr sie ihn damit verletzen würde. Ra i mund war nicht mehr der Selbe, wirkte enttäuscht und verbissen. Wah r scheinlich ahnte er die drohende Katastrophe, denn er wusste, wie skrupellos Heinrich sein konnte.“ Fa s sungslos blickte ich zu Bonifazius und konnte nur daran denken, in welch glücklichen Familienve r hältnissen ich selber aufgewachsen war. Raimund hi n gegen hatte die Hölle erlebt.
„Und so nahm das Schicksal seinen Lauf, denn von einer einfachen Reise in die Stadt k a men Heinrich und seine Eltern nicht mehr zurück. Tage darauf hat man den Vater und die Mutter in einem einsamen Waldstück mit durchschnittener Kehle gefunden . Doch von Hei n rich und dem Gold fehlt seitdem jede Spur.“
„Me in Gott, das ist ja schrecklich “, erwiderte ich und spürte ein tiefes Mitgefühl für den jungen Raimund Rabenhof, der aus einer großen Familie stammte und doch vollkommen a l leine au f wachsen musste.
„Raimund verdankt es ausschließlich seiner Sturheit, halbwegs gesund aus dieser Angel e genheit herausgewachsen zu sein. Er war damals ein sehr junger Mann, ließ von einem Tag auf den anderen alles hinter sich und widmete sich nur mehr seinem Kampftraining . Und für dieses Training schien er besonders begabt zu se in, denn er absolvierte ein so hartes Pe n sum, dass selbst Otto der IV beeindruckt war. Er erkannte Raimunds Talent sehr früh und machte es sich zunutze. Die Kraft und Loyalität solch eines jungen Mannes konnte in düsteren Ze i ten durchaus nützlich sein.“
Mord und Totschlag in der eigenen Familie, dazu ein wenig Inzest und der frühe Verlust der Familienmitglieder ... das klang nach mehr, als nur einem handfesten Trauma ! U nd es erklä r te Raimunds Kampfgeist und dunkle Seite, die ich neben seinem Edelmut, schon kennen g e lernt hatte. Nachdenklich blickte ich zu Bruder Bonifazius und hätte am liebsten viel, viel mehr in Erfahrung gebracht. Doch der Mönch ruderte bereits hektisch mit den A r men und gab zu ve r stehen, dass er sich schleunigst auf den Weg machen musste. Der Abt hatte ihm einen heiklen Auftrag gegeben und so wie es aussah, hatte er sich mit mir gerade ziemlich verpla u dert.
Schnell ergriff ich seine Hand und verabschiedete mich, während meine Gedanken ganz aut o matisch zu
Weitere Kostenlose Bücher