Zeitreise ins Leben (German Edition)
Vielmehr schi m merten meine Wangen rosig und meine Augen gl itzerten so blau wie das Meer. Etwas verwu n dert über meine Erscheinung, widmete ich mich der schwierigen Prozedur, meine Haare in Ordnung zu bringen. Es dauerte mindestens eine Stunde, bis ich sämtliche Ve r knotungen gelöst hatte und mein Haar zu einer ordentlichen Frisur flechten konnte. Dabei fielen mir fast die Arme ab, weil ich noch geschwächt war von der überstandenen Grippe und der gewalts a men Nacht. Die Nacht! Meine Arme zitterten nicht nur vor Anstrengung, denn alleine durch das Anecken an eine kurze Erinnerung, schlich sich bereits eine Woge von Gewalt und Schmerz in mein Bewusstsein. Die Dunkelheit brodelte erneut nahe an der Oberfläche und die erste Panikattacke bahnte sich an. M it Friedrichs Hilfsmuster hatte ich sie bisher im Griff gehabt, doch dieses Mal wusste ich, dass ich mich der Gefahr stellen musste. Mühsam hatte ich Felsbrocken um Felsbrocken gestapelt, hatte zurückgedrängt und das Gift im U n tergrund gehalten , d och das schwarze Unding woll te heraus und brach sich mit plötzlicher Hefti g keit seine Bahn . Ich spie und spuckte dämonische Funken, warf mich aufs Bett und wand mich im seelischen Schmerz . Mit einer Unmenge an Tränen ließ ich alles aus mir heraus, spülte die Qual hinfort und erhielt nach einer schier endlos langen Zeit dafür sogar Kraft und Zuve r sicht.
Langsam, nur sehr langsam verebbte die Gewalt und beruhigte sich der glühende Strom der Erinnerung. Irgendwann erstarrte diese Glut und erkaltete. Das schwarze Biest war ve r blasst und Tränen hatte ich keine mehr. Die bedingungslose Hingabe an den Moment hatte funkti o niert und den größte n Brocken des Übels bewältigt. Dennoch brauchte ich auch jetzt den p o sitive Abschluss, um die Leere zu füllen und den Krater für immer oder z u mindest für lange Zeit zu verschließen. Ich spürte förmlich Friedrichs Berührungen, seine Zär t lichkeit, seinen Kuss. Ja, ich brauchte diesen Mann und ich benutzte ihn, um über seine Gewalt gänzlich hinwegz u kommen.
Als Silvia etwas später zu mir kam, bemerkte sie die Veränderung sofort .
„W-w-wunderbar s-s-seht Ihr aus “, sagte sie und freute sich ehrlich über meine zuversich t liche Ausstrahlung und mein leises Lächeln. „Ich z-z-zeige Euch j-j-jetzt Euer Schlafgemach!“, sagte sie und zog noch schnell einen kleinen Tiegel hervor , um etwas Rot auf me i ne Lippen zu tupfen . Dieses Lippenrot war hier offenbar wirklich etwas Besonderes, denn sie nahm nur einen kle i nen Tupfen und verstaute den Tiegel sofort wieder in ihrer Rocktasche. Sie verteilte den Großteil auf meinen Mund und nur ein bisschen auf die Wangen. Danach hielt sie mir den Spiegel vor die Nase und ich war überrascht, wie frisch und sündig ich aussah. Als ich mit der Zunge über meine Zähne fuhr, blitzten sie weiß zwischen dem Rot der Lippen hervor und Silvia stieß einen zufriedenen kleinen Laut aus. Wie gerne wäre sie wohl die Dame heute Nacht an Friedrichs Seite gewesen?
Meine neue Unterkunft war absolut kein Vergleich zu dem kleinen Kämmerchen. Es war mit roten, freundlichen Vorhängen, einem großen Bett, einem Tisch, zwei Sesseln und sogar einer Kleidertruhe ausgestattet . Mit seinen wunderschönen Gemälden, Gobelins und der Unmenge an frischen Blumen, war es schon als herrschaftlich zu bezeichnen. Dazu hatte ich einen wunderbaren Ausblick in das Tal und auf die umliegenden Hügel. Ich fühlte mich richtig e u ph o risch, denn die Nacht, der ich diese Verbesserung zu verdanken hatte, wirkte mit einem Mal in weite Ferne gerückt. Fröhlich lief ich zum Fenster und steckte meine Nase hinaus ins Freie.
„Ah, ist das herrlich ! Das ist wahrlich ein Geschenk “, rief ich glücklich.
„Es gefällt dir also “, ertönte die tiefe Stimme Friedrichs und ich wirbelte herum. Er war durch eine zweite Türe eingetreten und beobachtete mich interessiert. Silvia wurde mit einem kle i nen Wink hinaus geschickt und ich wusste wieder einmal nichts zu sagen, fühlte mich wie versteinert, obwohl Friedrich mich mit seiner eleganten Erscheinung und seiner Freundlic h keit beeindruckte. Als er auf mich zukam, versuchte ich zu erahnen, was ich zu erwarten ha t te. Die Situation zw i schen uns war anders, doch meine Zukunft war ungewiss. Seine Augen waren heute nicht schwarz oder violett,
Weitere Kostenlose Bücher