Zeitreise ins Leben (German Edition)
a ßen. Dabei hatte ich bis jetzt noch nicht einmal die Gelegenheit gehabt, ihm von unserem Kind zu erzä h len.
Unglücklich biss ich mir auf die Lippen. Wenn er mir schon nicht zuhörten wollte, musste ich zumindest ein Gespräch mit Hanna führen. Mit einem Kind unter dem Herzen sah mein Lebensseminar doch bedeutend anders aus als zuvor. Vielleicht war eine Rückreise d a mit ja gar nicht mehr möglich oder zu gefährlich für das Kind. Automatisch begann ich bei dieser Vo r stellung hektisch zu wer d en , weil ich es um jeden Preis schützen wollte. Das Leben hier war inzwischen so viel wirklicher und lebendiger als das im 21. Jahrhundert, doch m ein „vo r gesehenes“ Leben fand 800 Jahre später statt, bei meiner Familie, meinen Freunden und meinen kleinen, banalen Alltäglichkeiten. Und die wahre Liebe? Das Kind? Tränen waren in diesen Tagen schon so selbstverständlich, dass sie mir jetzt nicht einmal mehr au f fielen. Mein Kopf schmerzte und erschöpft von den vielen offenen Fragen versuchte ich en d lich zur Ruhe zu kommen und meinen Gedanken zu entfliehen.
Des Nachts schreckte ich aus einem furchtbaren Traum in die Höhe. Er hatte nichts mit dem Schrecken in Diepolds Burg zu tun und nichts mit dem grauenhaften Dunkel, das mich t a gelang gefangen gehalten hatte ... nein, es war mein alt bekannter Traum von Raimunds Hand. Deutlicher und lebendiger als je zuvor wurde die wärmende Hand gereicht und kurz darauf brutal abgehackt. Dieses Mal war es so schmerzhaft, dass mein Herz zu zerreißen drohte. Schweißnass fuhr ich in die Höhe, keuchte den Albtraum aus meinen Lungen und meinte den Geschmack seines Blutes auf meinen Lippen zu spüren. Wahrscheinlich hatte ich mich in die Wange gebissen, doch das verstärkte nur den Nachhall des Traumes. An ein We i terschlafen war nicht zu denken. Nein, ich musste handeln! Raimund schlief irgendwo in di e sen Mauern und wenn Gott es wollte, so würde ich ihn auch finden!
Am ganzen Leib zitternd setzte ich einen Fuß aus dem Bett und versuchte langsam und konzentriert aufzustehen. Oft suchte ich Halt an der Mauer, strauchelte und keuchte vor E r schöpfung und Schmerz , aber ich schaffte es und stand irgendwann auf wackligen Beinen neben meiner Pritsche. Langsam konnte ich mich zu dem nahe stehenden Sessel vo r kämpfen und mich nach einer Pause weiter zur Tür handeln.
Der Gang war dunkel und da ich keine Ahnung hatte, wo ich überhaupt zu suchen anfa n gen sollte, folgte ich einfach meinem Gefühl. Ich handelte mich an der Wand entlang und musste schon nach ein paar Schritten auf dem kalten Boden Pause machen. Die körperliche Anstrengung forderte immer wieder eine kurze Verschnaufpause ein, doch genauso oft rappe l te ich mich hoch und kämpfte mich weiter nach vorne. Die erste Türe war gleich einmal abg e sperrt und ich plötzlich verzweifelt. Meine Handlungsweise spürte sich nicht mehr wirklich intelligent an und mein Körper war einer Ohnmacht nahe. Hatte ich wirklich gedacht, Ra i mund nur mit Glück finden zu können? Leise fluchend handelte ich mich weiter, versuc h te nach vorne zu blicken und nicht zu hadern. Aufgeben wollte ich nicht, obgleich die Kraft der Impulsivität sich schon abgekühlt hatte. Die nächsten beiden Türen waren ebenfalls ve r schlossen und das war dann der Punkt , der all meinen Mut und meine Entschlossenheit zu Fall brachte. Vol l kommen erledigt rutschte ich die Mauer hinab, plumpste hart auf den Boden und heulte was das Zeug hielt. Mit beiden Händen vor dem Gesicht schluchzte ich elend vor mich hin und verweigerte jeden weiteren Versuch aufzustehen . Als ich ein leises Quietschen hörte, blickte ich e r schrocken zur Seite.
„Du ...?“, krächzte ich ungläubig und blickte zu der riesig e rscheinenden Silhouette auf. So wie ich auf dem Boden kauerte , wirkte dieser Mann viel größer und eindringlicher als je z u vor. Wahrscheinlich hatte ich an seiner verschlossenen Tür gerüttelt und ihn so auf mich aufmerksam gemacht. V e r ärgert kam er auf mich zu.
„Was zum Teufel machst du hier?“, fuhr er mich unwirsch an und blitzte mich finster aus blauen Augen an. Ich versuchte mich in die Höhe zu rappeln, rutschte jedoch wieder ab und wurde dafür gepackt und in die Höhe gezogen. Friedrichs Nähe war überraschend a n genehm. Sein männlicher Geruch und die
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