Zeitreise ins Leben (German Edition)
Weg.
„Ciao bella! Bis in drei Tagen!“, flüsterte er und war in der nächsten Sekunde schon ve r schwunden. Und das Timing war perfekt, denn kurz darauf betrat Raimund den Raum, l ä chelte mir verschwitzt entgegen und ging zielstrebig zur Wasserschüssel. Er veranstaltete eine wahre Spritzorgie im Raum und blickte dabei schelmisch zu mir.
„Du hast j a ganz rote Wangen, meine Liebe “, stellte er fest und ich spürte die Hitze unter me i ner Haut. Wie gut, dass er nicht eine Minute früher gekommen war und wie gut, dass ich um eine Ausrede nicht verlegen war!
„Ja, was glaubst du? Halbnackt und verschwitzt lässt du deine Muskeln da unten spielen! Da muss einer holde Ma id ja heiß werden “, flötete ich und er kam klitschnass und mit einem umwe r fenden Lächeln auf mich zu.
„Das hört man aber gerne “, sagte er, packte mich und trug mich zum Bett.
Die nächsten beiden Tage verliefen sehr harmonisch. Der König war vermutlich abgereist und ich konnte die Zeit mit Raimund verbringen. Manchmal vermutete ich Friedrich zwar noch in der N ä he, doch eigentlich wollte ich nicht an ihn denken. Es war immerhin der 27. Juli und damit der Tag des Abschiedes gekommen. Nichts war mehr geblieben von der logischen Var i ante, den A b schied kurz und schmerzlos zu halten. Nein, gerade an diesem Vormittag wollten wir noch jede erdenkliche Minute miteinander teilen, wollten alles vom anderen aufnehmen, im Herzen spüren und jeder für sich mitnehmen. Jede Minute zählte und ich bat ihn an di e sem Vormittag mit mir über die Felder von Tsor zu reiten und den Abschied an meinem Lie b lingsplatz beim Apfelbaum zu zelebrieren.
Gesagt, getan. Blitz und die braune Stute grasten gemütlich auf der Wiese und wir setzten uns unter den herrlichen Baum und hielten uns fest im Arm. Bisher hatten wir über den A b schied nicht gesprochen, hatten bis zum Schluss gewartet und die Endgültigkeit, die wie ein Damokles-Schwert über uns hing, ignoriert. Es war eine so unwirklich erscheinende Situat i on, dass ich mir ohne Raimund plötzlich kein Leben mehr vorstellen konnte. Zwei Monate waren eine lächerlich kurze Zeit gewesen. Es war grausam und die Traurigkeit des Moments still und erdrückend. Lange umarmten wir uns und kosteten die Intensität unserer Zweisa m keit. Seine Augen, jede Bewegung, der Schlag seines Herzens ... alles prägte sich tief in mein Herz, verband sich mit jedem Detail meiner Erinnerung. Und als der Zeitpunkt letztendlich gekommen war, spendete Raimund mir einen allerletzten Trost. Er machte mir bewusst, dass wir beide mit einem Zeichen vom and e ren weiterleben würden: Ich mit seinem Kind unter dem Herzen und er mit meinem Zeichen über seinem. Absolut nicht mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen oder das Zittern meines Körpers zu kontrollieren stand ich vor ihm und erwartete seinen letzen Kuss. Die Sattelt a schen waren gepackt, der Proviant verstaut, fehlte nur mehr Raimund auf seinem Pferd. Den Moment des Kusses konnte ich kaum noch ertr a gen, musste ständig daran denken, dass er sich jeden Moment aufs Pferd schwingen und für alle Zeiten verschwinden würde.
„Leb wohl, Geliebte “, rief er und sah mir ernst in die Augen . „Wir sehen uns in einem and e ren Leben!“ Dann schwang er sich auf sein Pferd und galoppierte davon, ohne sich ein einz i ges Mal umzubl i cken.
So sah er also aus, der Abschied für immer! Das Ende von etwas Wunderbarem. Was für eine Verschwendung, was für ein Verlust ! Vollkommen lethargisch blieb ich auf meinem Platz st e hen und hörte dabei ganz deutlich die t o bende Leidenschaft von Puccinis Oper „La Bohème“. Ich war nicht oft in der Oper gewesen, doch diese hatte mich tief bewegt, die Sterbeszene zu Tränen gerührt. Es war theatralisch, irrational und doch so klar zu vernehmen: der Donne r schlag der Pauken und Trompeten, das Wehklagen und dieser unbeschreiblich tief gehende Schmerz. Das Gefühl vollkommener Hilflosigkeit übermannte mich und ließ mich auf die Knie fallen, mit dem Schicksal hadern. Ich wollte lauter schreien als die Melodie in me i nem Kopf dröhnte, wollte zerstören, mich verletzen und konnte doch nur in meine kläglich geballte Faust ja m mern. Keine Tränen gab es mehr, nichts gab es mehr.
Stunden hatte ich so unter dem
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