Zeitreise ins Leben (German Edition)
desto sicherer war er vor dem tödlichen Zeitstrudel. Hanna hatte mich deutlich darauf hingewiesen, dass er unbedingt Abstand zu wa h ren hatte.
Trotz des nahenden Abschieds und unserer aller Trübsinn musste auf Tsor der Alltag so no r mal wie möglich weiter gehen. Es brachte ja nichts, seufzend in den Tag hinein zu leben und nur zu warten. Raimund zeigte sich durchaus hilfsbereit und half John immer wieder bei schwierigen Reparaturarbeiten. Von meinem Fenster aus, hatte ich einen guten Blick in den Hof und konnte beobachten, wie sich John und Raimund über die anstehende Reparatur an einem Heuwagen unterhielten. Johns Schimpftiraden über den unfähigen Christoph waren selbst auf die se Entfernung nicht zu überhören und erinnerten mich irgendwie an meinen allerersten Tag auf Tsor, wo er dem Jungen die Ohren lang gezogen hatte. Raimund ließ j e denfalls nicht lange mit sich reden, zog sein Hemd aus und machte sich emsig an die Arbeit. Der H euwagen war ein wuchtiges Ding und seine Räder mussten gewechselt werden. Schon beim bloßen Hinsehen hoffte ich, dass keiner der Beiden unter dieses monströse Gefährt g e raten oder sich einen Bruch heben würde. Doch sie packten die Angel e genheit recht geschickt an, nahmen große, starke Äste als Hebel und konnten so nach einiger Zeit bereits das erste Rad tauschen. Der Sommertag war heiß und selbst für kräftige Männer war die A r beit schwer. Tja, was soll ich sagen: NATÜRLICH stierte ich hinunter und beobachtet jede von Raimunds kraftvollen, geschmeidigen Bewegungen. Sein nackter, glänzender Rücken, seine angespan n ten Muskel n ...
„Verdammt “, zischte ich und meine Faust knallte vorwurfsvoll an die Mauer. Den Schmerz spürte ich kaum, denn meine Gedanken waren ganz bei Raimund. Was für ein Mann! Und was für eine bodenlose Gemeinheit! Die Schritte hinter mir hörte ich nicht, war viel zu sehr mit meinem Selbstmitleid beschäftigt und damit, den Mann anzugaffen, auf den ich verzic h ten sollte. Erneut stieß meine Faust in die Mauer und erzeugte ein dumpfes Pochen in me i nem Handgelenk. Der Ve r putz bröckelte ein wenig, die Handknöchel wurden feucht. Doch als ich in meinem Frust ein weit e res Mal dagegen schlagen wollte, wurde meine Hand plötzlich in der Luft festgehalten. Erschrocken wirbelte ich herum und gab einen erstickten Laut von mir, denn ich sah in jene blauen Augen, mit denen ich am wenigsten gerechnet hatte.
„Nicht! Du verletzt dich ja “, meinte Friedrich trocken und drückte meine Hand sanft heru n ter. „Ganz schön provokant, was dein lieber Gatte da unten treibt , so halbnackt und ve r schwitzt “, witzelte er und es stimmte ja. E s war schon recht unverschämt, mit welcher Natü r lichkeit sich Raimund bei der Arbeit pr o duzierte.
„Willst du gar nicht wissen, was ich hier mache?“, fragte Friedrich und ich wurde ärgerlich.
„Was wirst du hier schon machen? Du wirst dich überzeugen wollen, dass ich wirklich ve r schwinde aus deinem, aber vor allem aus seinem Leben!“
„Oh, da liegst du aber falsch “, antwortete Friedrich energisch und sein Gesicht spiegelte dabei eine seltsam vertraute Ehrlichkeit. Trotzdem konnte ich mir ein „Na, wem willst du das jetzt weiß machen?“ in meinen Gedanken nicht verkneifen. Friedrich lachte laut auf.
„Stimmt schon, ich würde an d einer Stelle das Gleiche denken “, meinte er und lieferte quasi den Beweis, dass er nun auch schon meine Gedanken lesen konnte. Magie war eines seiner St e ckenpferde und offenbar hatte er in letzter Zeit mächtig dazu gelernt .
„Also sag schon!“
„Natürlich ...“, begann er und warf einen faszinierten Blick in den Hof. „... muss ich zug e ben, dass es für mich nicht uninteressant ist, Raimund nach dem 28. Juli wieder alleine zu wissen, aber eigentlich bin ich hier um dich zu sehen. Ich wünsche dir nämlich alles Gute ! D ir und de i nem Kind! Selbst wenn es Raimunds Kind ist und nicht das meine.“ Und so wie er es sagte, wurde mir plötzlich klar, dass er immer noch einen Restz weifel diesbezüglich ha t te.
„Es ist wirklich sein Kind. Das weißt du nur zu gut “, erwiderte ich daher
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