Zeitreise ins Leben (German Edition)
vermochte. Er war ein wunderbarer Gelehrter und das auf eine so unaufdringliche, bescheidene Art, dass ich ihn am liebsten in Zellophan gepackt und mi t genommen hätte. Mit Hanna hingegen gab es andere Dinge zu bereden. Sie wusste zwar von der Schnelllebi g keit meiner Zeit, doch mit ihr verband mich nicht wirklich ein zündender, philosophischer Draht. Wä h rend unserer Spaziergänge plauderten wir eher fröhlich über alles Mögliche. Als weise Frau und Zeitreisende hätte sie zwar ganz besonders interessante G e schichten erzählen können, doch gerade zu diesen Themen legte ich eine überraschende Scheu an den Tag. Ich hatte schlicht immer noch Angst vor dem Fantastischen, selbst nach den Erlebnissen, die ich bereits hinter mir hatte. Lediglich eine Frage zu ihren hellseher i schen Fähigkeiten konnte ich mir nicht verkneifen. Denn sie als Hexe hätte doch all die G e schehnisse voraussehen müssen. Es sollte kein Vorwurf sein und ihre magischen Fähigkeiten nicht in Frage stellen, aber wirklich wohl fühlte ich mich bei der Frage nicht.
„Natürlich habe ich seit deiner Ankunft Karten gelegt, um deinen Weg besser verstehen zu können“, meinte sie dann ernst und mit einem tiefen Blick in meine Seele. „Leider waren die Ka r ten zu Beginn nicht ganz klar für mich. Das heißt, zuerst wollte ich dich mit aller Macht vor deiner Zukunft bewahren, weil sie gar so impulsiv und unberechenbar schien. Doch letz t endlich ist es dein Schicksal und die Karten haben mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich den Dingen i h ren Lauf lassen sollte.“
„Die Karten haben dir also gesagt, dass wir diese Einladung zu Rabenhofs Fest annehmen sollen? Haben sie auch gesagt, d ass ich gefangen und misshandelt werde würde und dann auch noch mein Herz verlieren sollte ?“ Ich war empört. Hätten die Karten mich nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt, wäre mir womöglich eine Menge Unheil erspart gebli e ben.
„Aber nein, natürlich nicht“, widersprach Hanna. „So detailliert geben die Karten nun auch wieder nicht Auskunft über zukünftige Geschehnisse. Was passieren soll, wird passi e ren! D as ist und bleibt ein Naturgesetz und die Karten selbst gestalten mit Sicherheit nicht deine Z u kunft. Sie sind nur die Boten, die Überbringer, das ist dir hoffentlich klar? Die Z u kunft steht zwar in einem gewissen Rahmen fest, wird aber ausschließlich von dir selb st geformt. In de i nem Fall haben mir die Karten lediglich zu verstehen gegeben, dass ich dich nicht länger ei n sperren oder behindern soll.“
„Wenn die Karten aber gesagt haben, dass ich zu diesem Fest gehen soll, dann gestalten sie doch bitte sehr wohl meine Zukunft.“
„Aber nein! Wenn der Wettermann sagt, dass es regnen wird, macht ja auch nicht er den R e gen, oder?“ Ihre Antwort kam so schnell und selbstsicher, dass mir schlagartig klar wurde, was sie meinte. Mein Schicksal wäre so oder so erfüllt worden, ganz egal wie wir uns verha l ten hätten. Die Karten waren und blieben nur Werkzeug und waren niemals selbst agierend. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du in solch kurzer Zeit dein Herz verlierst, in eine Intrige verstrickt wirst und auch noch eine ordentliche Tracht Prügel erhältst . Ich meine, du hast ja wahrlich nichts ausgelassen in diesen zwei Tagen“, meinte sie, zwinkerte mir aber dabei zu. Und es stimmte ja auch! Zuerst hatte ich viel Zeit und Ruhe gehabt, mich an dieses Jah r hundert zu gewöhnen und dann war plötzlich innerhalb von nur zwei Tagen die geballte L a dung über mich hereingebrochen. Etwas an dieser Überlegung brachte mich in Aufruhr, vor allem, weil nach eben diesen zwei Tagen wiederum eine lange Ruhephase ei n getreten war. Ruhe, Action, Ruhe ... woher kam mir das nur so bekannt vor? In meinem alten Leben war das einer meiner wesentlichsten Widersprüche gewesen. Mal war ich der geborene Einsiedle r krebs, dann wieder die übertriebene Party maus . Die Parallele zu meinem eigentlichen L e ben war unverkennbar und zum ersten Mal dachte ich ernsthaft an einen weiteren möglichen Sinn dieses Lebensseminars nach. Es musste sich ja nicht alles nur um Edelmut und Helde n tum drehen .
„Obwohl …“, meinte Hanna nachdenklich . „... das mit dem Herzen habe ich schon gesehen. Es lag so klar und unmissverständlich da,
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