Zeitreise ins Leben (German Edition)
und Raimund hockten beide in den Farnen und hatten irgendwie die Rollen getauscht. M ittlerweile hatte ich nämlich das Gefühl, dass Raimund den Soldaten mehr in Schach hielt als umgekehrt. Durch das lange Warten sank mein Adrenalinspiegel jedoch ins bodenlose und bleierne Müdigkeit machte sich breit . Ich wurde unkonzentriert, starrte ständig auf mein Handgelenk, als hätte ich eine Ar m banduhr und schaf f te es kaum noch Verrücktheit und Stärke zu demonst rieren. Dennoch hatte ich den bewusstlosen König weiterhin im Würgegriff. Sein Atem ging rasselnd, aber gleichmäßiger. Das Gesicht war schweißnass, hatte aber etwas mehr Far be . Auf seinen la n gen Wimpern entdeckte ich kleine, glitzernde Wassertröpfchen und bewunderte seine schön geschwungenen Augenbrauen. Es war ein komischer Moment , unpassend und doch der ve r rückten Situation entsprechend. Einem so abartigen Sadisten Schönheit zu zu sprechen war nicht normal. Keineswegs. Sicherheitshalber drückte ich ihm das Messer fester an den Hals. Raimund hingegen schien etwas mehr zu Kräften zu kommen, denn ich hatte das Gefühl, öfter von ihm beobachtet zu werden. Mein „Nachlassen“ förderte indirekt seine Stärke und ich fragte mich, ob wir gar nach den Gesetzmäßigkeiten von Yin und Yang agierten. Vielleicht waren wir ja ein Team und auf elementa re Weise miteinander verbunden, doch wir sprachen kein Wort und e inen Blick wagte ich auch nicht in seine Richtung. Dafür hatte ich viel zu viele Bedenken, dass er mich tatsächlich für eine verrückte Furie halten k ö nnte.
Hermann schlich vorsichtig heran und hatte tatsächlich zwei Pferde im Schlepptau. Endlich! Sein Blick war ernst, doch selbst jetzt konnte ich keine Anzeichen von Verrat erkennen. Z u mindest sah ich keine Verfolger oder bemerkte Unruhe bei den Stallungen. Eines der Pferde war sogar mein geliebter Blitz, weil es seit meiner Ankunft vermutlich noch nicht versorgt worden war und quasi „bereit“ gestanden hatte . Seitdem waren mindestens ein, zwei Stunden vergangen, doch das Pferd einer Verbrecherin wurde eben nicht bevorzug behandelt.
Ein, z wei Stunden! Und was war in dieser Zeit doch alles passiert! Ich hatte den König nicht nur lebensgefährlich verletzt, ich hatte ihn sogar als Geisel genommen, einen Gefang e nen befreit und eine verrückte Flucht aus dem Ärmel geschüttelt! Die Welt stand bei mir wahrli ch immer in geballter Zeit Kopf. Dennoch – bis jetzt verlief alles nach Plan. Aber um nichts zu riskieren, konfrontierte ich die beiden Wachen gleich mit einer ne u en Idee.
„Wir werden den König mitnehmen un d wenn wir nur einen Verfolger sehen, stirbt er immer noch!“
„Nein, bitte! Werte Dame, ich habe Euch nicht verraten! Ich schwöre es! Eben aus diesem Grund habe ich n icht gewagt Euch zu hintergehen “, sagte er schnell und eindringlich und ich war überrascht, weil mir diese Variante ja gerade eben erst eingefallen war. Es blieb mir also nichts anderes über, als ihm zu glauben.
Frankof und Hermann mussten sich getrennt mit dem Rücken zu einem Baum setzen und Ra i mund war soweit in der Lage, die beiden Männer zu fesseln und zu knebeln. Damit waren zwei der Geiseln vorerst einmal ausgeschaltet. Fehlte also nur noch der König, doch genau den konnte ich aus irgendeinem Grund nicht loslassen. Immer noch drückte ich ihm das Messer an den Hals, obwohl das nun wirklich nicht mehr notwendig war. Ich fühlte mich ausgelaugt und hatte offenbar den Anschluss an den nächsten Schritt verpasst. Raimund kam hinkend auf mich zu. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und ... besorgt .
Sorge? Um mich? Raimund hockte sich zu mir und bewegte seine Lippen. Doch in meinen O h ren rauschte es und dieses Toben schien mit jeder Minute schlimmer zu werden. Seine Stirn b e kam Falten und ein genauer Blick zeigte ihm, dass ich „out of order“ war. Ohne ein weit e res Wort, nahm er meine Hand und öffnete mühsam jeden einzelnen Finger der sich um den dü n nen Knauf des Messers gekrallt hatte. Mit selbst zittrigen Händen nahm er mir das blutve r schmierte Ding ab und sah mich dabei ungewöhnlich mitfühlend an. Dabei hätte er sich selbst einmal sehen sollen! Schweißnass und vollkommen am Ende versuchte er mich mit fürsorglichem Zuspruch aus meiner Lethargie zu reißen. Was für eine
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