Zeitriss: Thriller (German Edition)
einem anderen in die Brust, köpfte einen dritten, dann einen vierten. Das Gefühl, mit der Klinge durch Fleisch und Knochen zu hauen, war berauschend, und Randalls Verstand war so klar wie ein wolkenloser Himmel. Randall war allein aufs Töten konzentriert, tat es mit präzisen, effektiven Bewegungen. Mit einem gedrehten Rückwärtstritt flog er durch den Raum, brach einem Plünderer das Genick, während er gleichzeitig einem anderen mit dem Schwert in die Brust hieb, um dem nächsten den Bauch aufzuschlitzen und die Klinge aufwärts ins Herz zu stoßen.
Als er auf den Füßen landete, sah er den verbliebenen Franzosen, einen Major, nach seiner Pistole greifen. »Sprechen Sie Englisch?«, fragte Randall, während er auf ihn zuging.
Vor lauter Furcht bekam der Major den Derringer nicht aus dem Holster. Über dem Griff baumelten eine gestohlene Taschenuhr und zwei Perlenketten, die sich hoffnungslos damit verhedderten.
»Sprechen Sie Englisch?«, fragte Randall noch einmal, doch die Angst des Offiziers und sein jämmerliches Bemühen, die Waffe zu ziehen, sagten ihm, dass dieser nicht der geeignete Bote für ihn war. Während das Blut von seinem Schwert tropfte, fällte er die Entscheidung. Dann köpfte er den Mann mit einem brutalen Streich. Der Kopf fiel auf den Marmorboden, ehe der Rumpf, vom Blut der durchgetrennten Arterien überströmt, vornüber kippte.
Randall betrachtete die Szene. Die Taschen der Toten beulten sich von erbeutetem Schmuck, manche hatten sich die Ketten sogar um den Hals gehängt. Nach dem zerbrochenen Wandspiegel und dem durchlöcherten Porträt Qianlongs zu urteilen, hatten die Franzosen herumgealbert – und mit dem Leben bezahlt. Randall lief vorsichtig ans Fenster und spähte in den Hof an der Rückseite des Gebäudeflügels. Zu seiner Überraschung standen dort wenigstens achtzig Pferde – britische und französische –, die aus einem Brunnenbassin Wasser soffen. Wachen waren keine zurückgelassen worden. Offenbar hatte jeder Soldat den Vorteil, dass sie die Ersten am Schloss waren, gehörig nutzen wollen, um sich das Schönste auszusuchen.
Randall rannte zur Hintertreppe. Er musste der Plünderung ein Ende machen, ehe sie in Raserei ausartete. Er würde töten müssen, bis er einen fand, der geeignet wäre, die Nachricht an Lord Elgin zu überbringen, und zwar auf eine Art, die den größtmöglichen Eindruck machte.
Aus dem Ostflügel drangen Stimmen herüber. Das blutige Schwert in der Hand, lief Randall ihnen still entgegen.
Captain Charles Gordon von den königlichen Pionieren hatte Befehl erhalten, Major Probyn und fünfzig seiner besten Männer, die als Spähtrupp dienten, zu begleiten. Das war nötig für den Fall, dass die Qing Brücken zerstört oder Hinterhalte gelegt hatten. Zu seiner großen Erleichterung war der Weg zum Sommerpalast frei und passierbar gewesen. Anscheinend waren die chinesischen Adligen geflohen, ohne an den Schutz der Anlage zu denken, von den hilflosen Dienern und den wenigen Wachen, die sie zurückgelassen hatten, einmal abgesehen.
Auf Lord Elgins Befehl hatten die Franzosen ebenfalls fünfzig Männer, geführt von Général Montauban, ausgeschickt, und gemeinsam waren sie kurz vor Sonnenaufgang eingetroffen. Die kleinliche Missgunst zwischen Briten und Franzosen hatte aus dem Ritt nicht weniger als ein Pferderennen gemacht, bei dem es darum ging, wer dem anderen um eine Nasenlänge voraus sein würde. Dementsprechend waren die Pferde fast lahmgeritten worden. Bei ihrer Ankunft hatte ein Franzose einem Wachposten aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen, obwohl sich die Garde vollständig ergeben hatte. Um nicht zurückzustehen, erschossen die Briten prompt die übrigen Wachen, um keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass sie die Brutaleren waren. Sie benahmen sich wie Schulhofrowdys, die, um ihre Überlegenheit zu beweisen, vor nichts haltmachen.
Laut Befehl von Lord Elgin sollten sie die Schlösser nicht anrühren, bis die gemeinsamen Verbände eingetroffen wären, doch die Anweisung wurde sofort ignoriert. Man konnte sich ja später gegenseitig die Schuld zuschieben.
Was die Soldaten vorfanden, überstieg die kühnsten Erwartungen, und es juckte ihnen in den Fingern bei dem Gedanken, welches Vermögen sie ergattern würden. Captain Gordon hatte jedenfalls in seinem ganzen Leben noch nicht solche Schönheit und Pracht gesehen, weder natürlicher noch künstlicher Art. Als er in dem großen Saal stand, staunte er ehrfurchtsvoll mit offenem
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