Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
schwarze Haar kurz geschnitten, hasteten vorbei.
Mit ausgebreiteten Armen stand seine Mutter auf dem Treppenabsatz, als er hinaufging. Er küsste sie wie ein braver Sohn. Als er in das alte Wohnzimmer mit seinen seltsam strengen Gerüchen kam – »Es steckt in den Möbeln, in den Polstern, unser ganzes Leben lang«, sagte sie, als wären Polster unsterblich -, wurde er von seiner alten Welt überspült. Er entschloss sich, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sollte sie ihm den monatelang aufgesparten Klatsch erzählen, ihm die Verlobungsfotos entfernter Verwandter zeigen, ihm »einmal ein richtiges Essen« kochen – Hackleber, Kugel und Flanken . Sie lauschten den Calypsoklängen des alten braunen Motorola in der Ecke. Später besuchten sie das Ehepaar Grundweiss – »Dreimal hat er mir gesagt, bring den Jungen vorbei, ich gebe ihm einen Apfel wie früher« – und spazierten dann um den Block. Er begrüßte alte Freunde, diskutierte ernsthaft über Erdbebenstatistiken, warf für eine Gruppe spielender Kinder einen Ball ins bleiche Sommerlicht. Am nächsten Tag schmerzte sein Arm von diesem einen Wurf.
Er blieb zwei Tage. Seine Schwester kam herüber, herzlich, geschäftig und merkwürdig ruhig. Ihre dunklen Augenbrauen wölbten sich, während sie sprach, und stellten Satzteile in tanzende Parenthesen. Freunde schauten herein. Gordon ging bis zur 70th Street, um für diese Gelegenheit kalifornischen Wein zu kaufen, aber er war der Einzige, der mehr als ein Glas trank. Dennoch redeten und scherzten sie mit ebenso viel Lebendigkeit wie bei einer Cocktailparty in La Jolla. Ein Beweis, dass Alkohol ein unnötiges Schmiermittel war.
Anders seine Mutter. Die Neuigkeiten aus dem Viertel waren rasch erschöpft, und dann überließ sie es seinen Freunden oder seiner Schwester, für den Fortgang der Unterhaltung zu sorgen. Wenn sie mit ihm allein war, sprach sie wenig. Langsam wurde er in dieses Vakuum gezogen. Als er aufwuchs, war die Wohnung voller Gespräche gewesen, außer während der letzten Woche seines Vaters, und die jetzige Stille machte ihn nervös. Er erzählte seiner Mutter von den Auseinandersetzungen um seine Arbeit. Von Paul Schriffer. (Nein, sie hatte die Sendung nicht gesehen, aber davon gehört. Sie hatte ihm doch geschrieben.) Von spontaner Resonanz. Von Tulares Warnung. Und schließlich von Penny. Seine Mutter wollte und konnte nicht glauben, dass ein Mädchen einen Mann wie ihren Sohn abwies. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Gordon fand diese Reaktion unerwartet angenehm, er hatte die Fähigkeit der Mütter vergessen, das Ego der Söhne aufzurichten. Er gestand ihr, dass er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, er und Penny würden ihr Zusammenleben auf konventionelle Weise (»ehrbar«, korrigierte sie ihn) gestalten. Es war für ihn eine Überraschung gewesen, dass Penny nicht ähnlich dachte. Damals war etwas mit ihm geschehen. Er versuchte, es seiner Mutter zu erklären. »Vielleicht, ich weiß es nicht … vielleicht wollte ich an Penny festhalten, jetzt, da alles andere kaputtgeht …« Aber das war es auch nicht, was er eigentlich meinte. Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, wusste er, dass sie falsch waren. Aber seine Mutter griff sie auf: »Sie weiß nicht, was sie will, ist das eine Überraschung. Ich habe versucht, es dir beizubringen.« Gordon schüttelte den Kopf und trank verwirrt von seinem Tee. Es hatte keinen Zweck. Er war im Innern aufgewühlt und wollte plötzlich nicht mehr über Penny sprechen. Er kam wieder auf die Physik zu sprechen, und seine Mutter ließ die Löffel und die Teekanne mit neuer Energie klappern, lächelte. »Gute Arbeit, ja, das wird dir jetzt gut tun. Zeig ihr, was sie verloren hat …« Und sie redete weiter, länger, als Gordon es sich gewünscht hatte. Er spürte, wie sich ein drängender Impuls in ihm aufbaute, und steuerte ein anderes Thema an. Während die Stimme seiner Mutter monoton weiterklang, dachte er über Claudia Zinnes nach. Spielte in Gedanken mit Zahlen und Messinstrumenten. Er entwickelte gerade einige Pläne, als ihre Sätze allmählich zu ihm durchdrangen: Sie dachte, er würde Penny verlassen. »Hm?«, entfuhr es ihm, und sie sagte ausdruckslos: »Nun, nachdem das Mädchen dich abgewiesen hat …« Es folgte eine Auseinandersetzung, die ihn allzu sehr an die früheren Diskussionen erinnerte, wenn er zu spät nach Hause kam, über seine Art, sich zu kleiden und all die anderen kleinen Dinge, die ihn schließlich in eine eigene Wohnung
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